BRAND STRETCHING
brands gelauncht, wie wir es alle paar Jahre bei Milka und Kinder
erleben. Kinder hat über die Jahre neben der Hauptmarke „Kinder“
17 Submarken etabliert. Interessant dabei ist, dass fast immer die
ursprünglichen Produkte die Verkaufsschlager bleiben. Nur selten
gelingt mit neuen Subbrands ein echter Hit.
Handelt es sich bei der neuen Produktidee um ein eigenständiges
Produkt ist deshalb meist ein eigenständiger Name ratsam. Zum
einen kann die Neuheit über den eigenständigen Namen wesentlich
besser transportiert werden, was bei Markendehnungen fast
immer wesentlich schlechter gelingt, zum anderen muss auf kein
vorhandenes Image mehr Rücksicht genommen werden. Vielmehr
wird ein neuer Name mit den gewünschten Vorstellungen aufgeladen.
Dadurch kann die neue Marke auffallen, gefallen und damit die
Etablierung gelingen.
Im Marketing müssen immer Erfolgsfaktoren betrachtet
werden, um in unserer mit Reizen überfüllten Konsumwelt
zu bestehen und gesehen zu werden. Welche Erfolgsfaktoren
sollten von Unternehmen beim Brand Stretching
berücksichtigt werden?
Wichtig ist, dass das Markenbild – und damit die Vorstellungswelt
der Kunden – nicht verwässert wird. Dazu tragen ein merkfähiger
Markenname und ein eigenständiges Design bei, wobei die Farbe von
zentraler Bedeutung ist. Auch die Form kann markenprägend sein.
Hinzu kommt stimmige Werbung über alle Kanäle. Bei mehreren
Produkten unter einem Markennamen ist zudem wichtig, dass die
Kunden das Sortiment leicht verstehen können. Sollte es Unstimmigkeiten
geben, halten sich Bestandskunden häufig beim Kauf zurück
oder wechseln zu einem Wettbewerbsprodukt. Potenzielle Neukunden
verweigern den Kauf aufgrund der Komplexität gleich ganz.
Deshalb sollten Redesigns wohlüberlegt sein. Vor allem aber sollten
Marken immer selbstähnlich geführt werden. Selbstähnlichkeit bezeichnet
gestalterische Variationen bei denen die Grundstruktur nur
behutsam variiert wird und somit der ‚Kern der Marke‘ erhalten und
erkennbar bleibt. So ist beispielsweise jedes Ahornblatt anders. Keine
zwei gleichen einander. Und doch erkennen wir alle bei jedem Blatt,
ob es ein Ahornblatt ist oder nicht. Das Gleiche gilt für selbstähnlich
geführte Marken wie Milka (lila) und Ritter-Sport (quadratisch).
Neben den genannten Chancen bestehen auch Risiken.
Welche Risiken können mit der Markendehnung für die
bereits erfolgreiche Marke bestehen?
Das größte Risiko bei Markendehnungen ist eine Verwässerung der
Marke. Werbeguru David Ogilvy hat überdehnte Marken schon vor
vielen Jahrzehnten als ‚Wischiwaschi Brands‘ bezeichnet. Sie stehen
für alles – und damit für nichts. Zudem besteht, wie gesagt, immer
die Gefahr, dass die Markendehnung floppt und damit auch das Kernprodukt
geschwächt wird.
Hand auf Herz – welche Markendehnungen sehen Sie als
überdehnt und welche erfolgreichen Beispiele der Markendehnung
sehen Sie in der Food-Branche?
Eine der erfolgreichsten Markendehnungen der letzten Jahre war die
Erweiterung des Kerrygold-Sortiments von Butter auf Joghurts. Das
ist naheliegend. Die Kunden verstehen das gleich, weil beide Produkte
reichlich Milch brauchen und die ist von ‚irischen Weidekühen‘ einfach
besser, weil, wie wir alle wissen, irische Wiesen besonders grün
und saftig sind. Dementsprechend muss die Milch, so unsere Vorstellung,
einfach besser sein. Ob die Kuhmilch dann als Butter oder Joghurt
verkauft wird, ist im Prinzip egal. Hauptsache Kerrygold. Auch
die weitere Dehnung hin zu Käse ist noch gut nachvollziehbar.
Wer es mit der Markendehnung definitiv übertrieben hat ist Milka.
Bei den 46 verschiedenen Tafeln und 14 Großtafeln können die Kunden
das Sortiment noch halbwegs überblicken, bei den übrigen 158
Produktvarianten wird es da schon deutlich schwerer. Mittlerweile
bietet die Marke 24 Pralinenpackungen an, 22 Mischungen, 16 Eispackungen,
16 Hohlfiguren, 13 Küchlein, zwölf Kekspackungen und
zehn unterschiedliche Riegel. Besonders fragwürdig sind die Dehnungen
in folgende Produktkategorien: Brotaufstriche, Mousse, Joghurts
und Puddings mit jeweils drei oder vier Varianten.
Schuster bleib‘ bei Deinen Leisten möchte man da gerne Milka raten.
Verkauft Schokolade, im Herzen zart! Wer Brotaufstrich mit Schokolade
möchte, greift gleich zum Original von Ferrero: Nutella! Im
Vergleich dazu verzettelt sich Milka, verwirrt seine Kunden, erhöht
die Komplexitätskosten, reduziert die Stückzahlen pro Produkt und
verliert bei über 200 Produkten womöglich auch intern den Überblick.
Deshalb: Weniger ist mehr – mehr Markenerfolg! n ak
Milch-Marketing • 0 1/2021 27