INDUSTRIE ❙ WEISSE & GELBE LINIE
HANDELSMARKEN
Deutschland, während die Top-Markenartikel
heute Distributionswerte über 90 Prozent
aufweisen können.
Daneben ist aber auch das wachsende Feld
der Out-of-Home- und Impulskanäle ein
Terrain, auf dem sich Food-Marken positionieren
müssen. Wenn sie ihre Zielgruppen
entlang der kompletten Customer Journey
eines Tages begleiten wollen, müssen sie
von der Bäckereifiliale am Morgen über die
Betriebskantine bis zum Tankstellenshop
auf dem Heimweg denken. Hier kann der
Handel mit seinen Angeboten nicht mithalten.
Die glaubwürdige und fokussierte Besetzung
eines speziellen Konsumthemas wie
gesunde Erfrischung, ein Energiekick oder
der kleine persönliche Genussmoment und
die Einlösung dieses Versprechens über den
gesamten Tagesablauf eines Konsumenten –
das ist die Leistung der Industriemarke, die
aber mit aller Konsequenz umgesetzt werden
muss. Nicht nur in den eigenen Social-
Media-Kanälen, sondern ganz physisch in
Distribution, passenden Verpackungen und
attraktiven Preisen.
Mit den Veränderungen in Handel und Markenlandschaft
für Nahrungsmittel haben
sich auch die Unternehmenstypen der Nahrungsmittelindustrie
weiterentwickelt. Der
einstmals dominante „klassische Unternehmer“,
der seine Konsumenten „kennt“ und
weiß, was sie erwarten, ist auf dem Rückzug,
aber keineswegs ausgestorben. Er agiert aus
Leidenschaft, entscheidet im Zweifelsfalle
selbst, welches Produkt gelauncht werden
soll, ist damit sehr schnell und trägt das Risiko
meist mit eigenem Geld.
HANDELSMARKENPROJEKTE
ERFORDERN
WENIGER ZEITAUFWAND
Daraus entwickelten sich im Laufe der Zeit
professionelle Markenartikler im Mittelstand,
die sich mit einem Know-how-Transfer aus
den Großkonzernen Produktmanagement
und Markenführung aufgebaut haben, auf
geordnete Strukturen und Prozesse aufsetzen
und damit die Innovationsrate hoch und
die Floprate heruntergebracht haben. Dies
alles jedoch zu Lasten der Geschwindigkeit
und mit einem Hang zur bürokratischen
Selbstverwaltung. Den Markenvertretern in
hybriden Unternehmen ist es daher oft ein
Graus, wenn ihre Kollegen aus dem Handelsmarken
Management in einem Bruchteil der
Zeit Projekte der Handelspartner durch das
Haus peitschen.
Handelsmarkenprojekte werden u .a. deswegen
so schnell abgewickelt, weil man in
den Unternehmen von Anfang an Forschung
& Entwicklung und Produktion involviert.
Der Handel ist ohnehin mit im Boot. Markenartikel
Manager dagegen holen die Produktion
oft erst in einem weit fortgeschrittenen
Stadium ihrer Konzepte mit ins Boot
und der Handel wird eher als Absatzkanal
denn als Vermarktungspartner gesehen.
Über diese beiden Achsen ließen sich auch
viele Markenprojekte beschleunigen. Viele
Private Label-Hersteller könnten hingegen
gewinnen, wenn sie sich – wie Markenartikler
– stärker mit den Konzepten für Neuprodukte
auseinandersetzen und nicht nur mit
der Feasibility in der Produktion und der
Qualität der Verkostungsmuster.
Die Ratschläge, von der jeweils „anderen“
Markenwelt organisatorisch und kulturell zu
lernen, lassen sich nach unserer Erfahrung
so zusammenfassen, wie in der Grafik dargestellt.
Die Entwicklung auf den Märkten
und in den Vertriebskanälen lässt die Unterschiede
zwischen Marken und Handelsmarken
in Zukunft weiter schwinden. Am Ende
begegnen sich beide Vermarktungsformen
auf Augenhöhe im Wettbewerb um den
Konsumenten. n
11/19 milch-marketing.de 19