Richard Joyce, Brand Manager Fi Europe: Auf vielen Messen weltweit ist „Stealth
Reduction“ jetzt ein großes Thema. Hat man früher auf der Verpackung damit
geworben, dass ein Produkt weniger Zucker oder Fett enthält, heißt die Devise
heute: Die Produkte sollen gesünder werden, ohne dass der Verbraucher es merkt
(Foto: UBM)
10 2017 | moproweb.de 7
mi: R ichard J oyce, s ind „ Natural“ u nd
„Free From“ immer noch die bestimmenden
Themen auf den internationalen
Messen oder werden sie mittlerweile
von neuen Trends abgelöst?
Joyce: D as s ind n ach w ie v or g anz b estimmende
Themen, die sich inzwischen
auf fast alle Inhaltstoffe ausgedehnt haben.
Vor einigen Jahren noch war die Industrie
hauptsächlich daran interessiert,
synthetische Farben und Aromen durch
natürliche Varianten zu ersetzen – denn
darauf lag das Hauptaugenmerk der Verbraucher.
Inzwischen wollen Konsumenten
nicht nur das Cleane Label, sondern auch
eine kurze Zutatenliste, und zwar ohne Intensivsüßstoffe
oder technische Hilfsmittel.
Das ist für Hersteller nicht immer ganz
einfach, da die Verbraucher gleichzeitig
ein Produkt erwarten, das hervorragend
schmeckt und trotzdem lange haltbar
bleibt. Wir sehen aber auch ein paar neue
Ansätze, die darauf abzielen, Produkte
nicht nur natürlicher, sondern gleichzeitig
auch noch gesünder zu machen.
mi: Womit wir dann beim Thema Zucker-
und Fettreduktion wären?
Joyce: Ja, aber man geht hier neue
Wege. Auf vielen Messen weltweit ist
„Stealth Reduction“ jetzt ein großes Thema.
Hat man früher auf der Verpackung
damit geworben, dass ein Produkt weniger
Zucker oder Fett enthält, heißt die
Devise heute: Die Produkte sollen gesünder
werden, ohne dass der Verbraucher
es merkt. Denn man vermutet ja ganz automatisch,
dass ein Produkt mit weniger
Zucker oder Fett auch weniger Genuss
verspricht. Gerade im Molkerei-Segment
ist auch das Thema Mundgefühl ganz
wichtig. Früher waren fettreduzierte Joghurts
nicht wirklich zufriedenstellend
– und um einen Claim nutzen zu können,
muss der Fettgehalt zu Recht deutlich
reduziert werden. Heute ist das Ziel, die
Rezeptur durch Reduktion und Substitution
so geschickt zu ändern, dass auch
jene Verbraucher ganz nebenbei gesünder
essen, die aus Genussgründen normalerweise
nicht zu fett- oder zuckerreduzierten
Produkten greifen.
mi: Functional Food ist als Hype bei uns
ja ausgeblieben – sieht man bei der Fi
Europe trotzdem noch innovative Ansätze?
Joyce: Functional Food konnte sich in Europa
noch nicht so stark entwickeln, wie
es sich die Branche vor zehn Jahren gewünscht
hat. Das mag zum einen an den
strengen Auflagen der EFSA zu den Health
Claims liegen. Zum anderen sind viele Gesundheitsthemen
in den Köpfen der Verbraucher
noch nicht angekommen – das
ändert sich aber gerade. Wir beschäftigen
uns ganz intensiv mit den Ergebnissen verschiedener
Marktforschungsinstitute und
Trendforscher, aber auch mit den weltweiten
Markteinführungen. Dabei sehen wir
drei Trends in Europa groß werden.
Das erste Thema ist Proteine – hier
passiert ganz viel in der Forschung, und
die Industrie reagiert. Interessanterweise
können wir feststellen, dass selbst Molkereiprodukte
inzwischen mit Proteinen aus
anderen Quellen angereichert werden,
die dem Produkt noch eine zusätzliche
Funktionalität geben, beispielsweise für
schöne Haut oder Gewichtsmanagement.
In Asien stehen Milchprodukte mit Kollagenpeptiden
für Schönheit von Innen
oder Muskelaufbau in wirklich jedem Regal
– und die Anzahl entsprechender Konzepte
wächst hier deutlich.
Auch das nächste Thema, die Calciumanreicherung,
kommt wieder in das Dairy-
Segment zurück, aber nicht mehr mit der
Hauptzielgruppe Kinder: Das Bewusstsein
für Osteoporose wächst. Und so sehen
wir auch bei unseren Ausstellern etliche
neue Konzepte für Molkereiprodukte,
die mit Kalzium angereichert sind und
zusätzlich Vitamin D3 und K2 enthalten,
welche die Kalziumaufnahme und -einlagerung
begünstigen sollen.
Und das dritte große Thema ist die Anreicherung
mit Ballaststoffen. Wir alle
wissen inzwischen, dass wir nicht ausreichend
Ballaststoffe zu uns nehmen. Bei
der Fi Europe in diesem Jahr zeigen einige
Aussteller spannende Ansätze, wie man
mit löslichen sowie unlöslichen Ballaststoffen
das ernährungsphysiologische
Profil nicht nur von Backwaren, sondern
auch von Getränken und eben Molkereiprodukten
verbessern kann.
mi: W elche A usblicke g ibt d as K onferenzprogramm
der Messe?
Joyce: Im dreitägigen Konferenzprogramm
geben Produktentwickler, Markanalysten
und Brancheninsider Einblicke
in die Themen, die die Industrie aktuell
und in Zukunft bewegen. Die Bandbreite