Der Milchindustrie-Verband berichtet
aus seinen Arbeitsfeldern
Haben Molkereien
eigentlich Kühe?
Verarbeiter von Milch in der Verantwortung
beim Thema Tierwohl?!
Unser Autor: Dr. Björn Börgermann, Milchindustrie-Verband e. V.
Halten Molkereien eigentlich
Kühe? Wenn man sich nur
diese Frage stellt, kann man
ganz klar sagen: Nein. Es gibt
in Deutschland keine Molkereien, die in
Form einer eigenen vertikalen Integration
Milchkühe halten.
Die Kernkompetenz der Molkereien besteht
darin, die von den Milcherzeugern
produzierte Milch von den Höfen abzuholen,
daraus wertvolle Lebensmittel für den
Verbraucher herzustellen und die Produkte,
meist verpackt, an den Lebensmitteleinzelhandel
oder zur weiterverarbeitenden
Industrie zu liefern.
Wenn man jedoch die öffentliche Diskussion
und Medienlage der letzten Jahre
betrachtet, so kommt man vielfach zu
einem ganz anderen Schluss. Neben dem
Dauerthema Milchpreis ist Tierwohl im
Grunde die Nummer zwei – eben auch im
Kontext Milch und Molkerei.
Ein Blick zurück in die Vergangenheit
auf die Entwicklung der Tierhaltung zeigt,
dass nach Krieg und Hunger Mitte des
20. Jahrhunderts die Intensivierung der
22 10 2017 | moproweb.de
landwirtschaftlichen Produktion ein Erfolgsrezept
der entwickelten Länder war.
Optimierungen in der Tierhaltung sowie
eine zielgerichtete Zucht (Zucht ungleich
Tierhaltung) haben dazu die Basis geliefert.
Dies wurde gesellschaftlich mitgetragen
und honoriert. Heute, keine 80
Jahre später, sind sichere und gute Lebensmittel
für die Verbraucher Normalität.
Niedrige Lebensmittelpreise sind eine
Selbstverständlichkeit, auch wenn heute
einzelne Produktpreise wie Butter in volatilen
Märkten bisher nicht gekannte Höhen
erreichen. Und die Gesellschaft kümmert
sich um Tierwohl, wobei viele Menschen
weit entfernt von der eigentlichen Nahrungsmittelerzeugung
tätig sind.
Fakt ist, es gibt auch im Milchbereich
Themenfelder, die die Branche voranbringen
muss. Hierzu zählen die ganzjährige
Anbindehaltung oder das Enthornen von
Kälbern. Zum Teil hilft die Zeit bei der Lösung
der Frage, da im Rahmen des Strukturwandels
vielfach Betriebe mit Anbindehaltung
aus der Produktion ausscheiden.
Doch statt der heute in Standards und
Gesetzen formulierten Mindestanforderungen
wird es in Zukunft um einen kontinuierlichen
Verbesserungsprozess gehen,
das Setzen von Benchmarks und das
Schaffen von Anreizen zur Verbesserung
des Tierwohls. Professor Blaha beschreibt
dies als „präventiven“ bzw. „proaktiven
Tierschutz“, indem durch die Umsetzung
von Tierschutzindikatoren der Anteil der
Milcherzeuger steigt, die auf guten und
höchsten Niveaus wirtschaften. Forschung
und Entwicklung helfen im Detail,
Molkereien und andere Institutionen können
unterstützen, durchführen müssen es
die Milcherzeuger.
Die Komplexität der Zusammenhänge
und Entwicklungen in der landwirtschaftlichen
Erzeugung sollte jedoch auch von
den Handelspartnern entsprechend akzeptiert
werden. Es scheint nicht zielführend,
wenn Forderungen an Erzeuger und
Verarbeiter zur Realisierung eigener Pioniergewinne
zu einem forcierten Strukturwandel
führen. Nicht zuletzt besteht
die Kernkompetenz der Molkereien zunächst
in der Verarbeitung von Milch und