10 2017 | moproweb.de 13
Anforderungen der Definition von „vegan“ und „vegetarisch“
entsprechen, nicht entgegenstehen, wenn und soweit diese auf
allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen trotz geeigneter
Vorkehrungen bei Einhaltung der guten Herstellungspraxis
technisch unvermeidbar sind. Ein möglicher Eintrag nicht-
„veganer“ bzw. nicht-„vegetarischer“ Stoffe könne auf Ebene der
Herstellung in der Regel auch unter Beachtung der guten Herstellungspraxis
nur bei räumlicher Trennung der Produktion verhindert
werden. Eine Nulltoleranz würde jedoch nach Auffassung der
Verbraucherschutzminister eine unbillige Härte darstellen und die
Erfüllbarkeit der Definitionsanforderungen stark einschränken.
Auch ProVeg Deutschland (ehemals VEBU) hält Kreuzkontaminationen
in veganen und vegetarischen Lebensmitteln für zulässig,
wenn der Lebensmittelhersteller die technisch möglichen und im
Einzelfall zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Eintrag
von Kreuzkontaminationen möglichst zu unterbinden.
Mit den Begriffsdefinitionen von „vegan“ und „vegetarisch“ ist
aber noch nicht die Frage nach der korrekten Kennzeichnung beantwortet,
nämlich die der Bezeichnung des Lebensmittels.
Nach Art. 17 Abs. 1 LMIV ist ein Lebensmittel mit seiner rechtlich
vorgeschriebenen Bezeichnung zu bezeichnen. Fehlt diese, so ist das
Lebensmittel mit einer verkehrsüblichen Bezeichnung oder, falls es
keine verkehrsübliche Bezeichnung gibt oder diese nicht verwendet
wird, mit einer beschreibenden Bezeichnung zu bezeichnen.
Weder in nationalen noch in EU-Rechtsvorschriften gibt es
rechtlich vorgeschriebene Bezeichnungen für „vegane“ und „vegetarische“
Lebensmittel. Mangels verkehrsüblicher Bezeichnungen
ist daher eine beschreibende Bezeichnung zu wählen. Dabei
wird bedauerlicherweise in zahlreichen Fällen übersehen, dass die
Einschränkungen und Verbote, die im EU-Marktordnungsrecht
und EU-Qualitätsrecht niedergelegt sind, zu beachten sind.
Bezeichnungen wie „Rahm“, „Sahne“,
„Butter“, „Käse“ und „Joghurt“ nicht für
vegane Produkte
In Art. 78 in Verbindung mit Anhang VII der Verordnung (EU)
Nr. 1308/2013 ist der Bezeichnungsschutz für Milch und Milcherzeugnisse
festgeschrieben, der seit mehr als 30 Jahren in
den EU-Mitgliedstaaten gilt. Danach ist die Bezeichnung „Milch“
grundsätzlich allein der Milch tierischen Ursprungs vorbehalten.
Ferner sind von wenigen ausdrücklichen Ausnahmen, die im Beschluss
2010/791/EU der EU-Kommission niedergelegt sind, Bezeichnungen
wie „Rahm“, „Sahne“, „Butter“, „Käse“, „Joghurt“ etc.
ausschließlich Milcherzeugnissen, d. h. aus Milch gewonnenen Erzeugnissen,
vorbehalten. So hat der Europäische Gerichtshof in
ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Bezeichnungsschutz
für Milch und Milcherzeugnisse weder durch eine Flucht
in andere Rechtsvorschriften, z. B. des Diätrechts (Rechtssache
C-101/98 – „Diät-Käse“) noch durch die Verwendung klarstellender
Zusätze, die z. B. auf den pflanzlichen Ursprung des jeweiligen
Produktes hinweisen (Rechtssache C-422/16 – „TofuTown“)
umgangen werden kann.
Ferner sind geschützte Ursprungsbezeichnungen (g.U.), geschützte
geografische Angaben (g.g.A.) nach Art. 13 Verordnung
(EU) Nr. 1151/2012 sowie garantiert traditionelle Spezialitäten
(g.t.S.) nach Art. 24 Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 gegen jede
widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung oder
gegen alle sonstigen Praktiken, die den Verbraucher irreführen
können, geschützt.
Dies hat auch der Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger
(ALS) in seiner Stellungnahme Nr. 2016/4 nochmals
festgehalten. Die in speziellen gemeinschaftsrechtlichen
Schutzbestimmungen – Verordnungen (EU) Nr. 1151/2012 und
1308/2013 – aufgeführten Bezeichnungen, die einen besonderen
Bezeichnungsschutz genießen, dürfen bei der Kennzeichnung
von pflanzlichen Ersatzprodukten nicht verwendet werden. Eine
Kenntlichmachung der abweichenden Beschaffenheit ist nicht
zulässig und kann insbesondere auch nicht durch Angaben wie
„Art…“, „wie …“ oder „Typ …“ in Verbindung mit der Bezeichnung
des tierischen Lebensmittels erfolgen.
Die o. g. Bestimmungen hat auch die Deutsche Lebensmittelbuch
Kommission (DLMBK) zu beachten, die derzeit einen neuen
Leitsatz für bestimmte „vegane“ und „vegetarische“ Lebensmittel
erarbeitet. Das bedeutet, dass der Bereich Milch und Milcherzeugnisse
strikt von den Bereichen Fisch und Fleisch zu trennen
ist, für die kein Bezeichnungsschutz in der Verordnung (EU) Nr.
1308/2013 niedergelegt ist.
Fazit
Festzuhalten bleibt, dass „vegane“ Lebensmittel nicht mit Milchbezeichnungen
gekennzeichnet werden dürfen. Der im EU-Recht niedergelegte
Bezeichnungsschutz für Milch und Milchprodukte ist
zu beachten und kann auch nicht durch einen Allgemeinen Leitsatz
der DLMBK für bestimmte „vegane“ und „vegetarische“ Lebensmittel
ausgehöhlt oder umgangen werden. Ferner bleibt zu hoffen,
dass die Lebensmittelüberwachung zukünftig konsequent
Verstöße gegen den Bezeichnungsschutz für Milch und Milch-
erzeugnisse ahndet.
Vegan
Vegetarisch
Quelle Paragraphenzeichen: @froxx – colourbox.com