Der Milchindustrie-Verband berichtet
aus seinen Arbeitsfeldern
Brexit: Was kommt auf
die Milchwirtschaft zu?
Unsere Autorin: Amelie de Grahl, Milchindustrie-Verband e. V.
Das Wort „Brexit“ ist das Wort des Jahres, zumindest
in Brüssel. Es gibt kaum einen Politikbereich, der
sich derzeit nicht mit dem Austritt des Vereinigten
Königreichs (VK) im März 2019 befasst. Was das für
die Milchwirtschaft bedeutet, ist noch unklar, doch zeichnen
sich einige Szenarien schon ab.
Klar ist, dass sich das VK keine „Rosinen picken“ kann. Es kann
also nicht einige Bereiche des Binnenmarktes weiterhin anwenden,
und andere ausblenden. Entweder Vollmitglied, oder raus,
ein „menu à la carte“ wurde von EU-Seite von Anfang an ausgeschlossen.
Agrarhandel EU-VK
Es wird also realistischer Weise darauf hinauslaufen, dass das
VK aus der Zollunion austreten wird. Was den Agrarhandel mit
den EU-27 betrifft, müssten somit auf beiden Seiten erga-omnes
Zölle erhoben werden, die bekanntermaßen im Milchbereich
sehr hoch sind. Das will aber niemand, zumindest nicht in der
Milchbranche. Wenn man sich den Handel mit dem Vereinigten
Königreich ansieht, so gehen jährlich 4,5 Mio. t Milchäquivalent
vom Festland in das Vereinigte Königreich in einem Wert von
2,3 Mrd. €. Davon sind 450.000 t Käse, mehr als früher nach
Russland gingen. Das VK verbringt 2,6 Mio. t Milchäquivalent in
einem Wert von 950 Mio. € auf das europäische Festland, und
hat somit ein Handelsdefizit.
Das Thünen-Institut hat ein „Extremszenario“ durchgespielt,
bei dem sowohl das VK als auch die EU MFN-Zölle erheben. Dabei
würde sich der Agrarhandelsüberschuss mit dem Vereinigten
Königreich um 700 Mio. € verringern. Die deutsche Schweine-
und Geflügelfleisch- sowie die Milchindustrie zusammen mit den
vorgelagerten Lieferbereichen wären am stärksten von einem
Brexit betroffen. Der Produktionswert von Milchprodukten
24 10 2017 | moproweb.de
Quelle: @Stephen - Fotolia.com
würde um über 1 % sinken. Vielleicht ist das Thünen-Institut mit
seiner Einschätzung noch zu positiv?
Zollverfahren EU-VK
Nach einem Brexit hieße es also: Grenzkontrollen und Zölle. Das
VK hat wohl gemerkt, dass bei dem Geflecht an Wirtschaftsbeziehungen
mit dem Festland damit ein enormer Kosten- und
Zeitaufwand einherginge. Es möchte daher den Handel durch
technisch/administrative Erleichterungen so weit wie möglich
vereinfachen, z. B. durch eine automatische Rückverfolgbarkeit
von Waren beim Grenzübergang oder durch vereinfachte Zollverfahren.
Wie das genau funktionieren soll weiß noch niemand.
Zollkontingente mit Drittländern
Eine weitere Frage betrifft die Aufteilung der WTO-Importquoten
sowie die Zollkontingente (Import und Export) aus bilateralen
Abkommen, die die EU mit Drittländern geschlossen hat. Hier