4 6 2020 | moproweb.de
Ideologie
statt Rationalität
Brüsseler Strategiepapiere öffnen den Weg
in den Öko- und Gute-Lebensführungskommunismus
Die EU-Kommission
adressiert mit ihren
Strategiepapieren
„Vom Hof auf
den Tisch“ (Farm to Fork) und
„Biodiversität“ sämtliche Bereiche
der tierischen und pflanzlichen
Erzeugung, aber auch der
Verarbeitung und Kennzeichnung.
Die Strategien sollen
der EU-Agrarwirtschaft explizit
eine weltweite Vorbildrolle
verschaffen – womit eindeutig
eine deutsche Handschrift zu
erkennen ist. Aber natürlich
finden sich auch die Franzosen
und Italiener wieder: ihre seit
Langem praktizierte, binnenmarktwidrige
Praxis der Kennzeichnung
ausländischer (Milch)
Rohstoffe auf Fertigprodukten
soll EU-Standard werden.
Geradezu ehrfurchteinflößend
liest sich das Ziel der Strategien.
Sie sollen nicht weniger
als ein „faires, gesundes und
umweltfreundliches Ernährungssystem“
schaffen. Gegen
einen verringerten Einsatz von
Pflanzenschutzmitteln und
Antibiotika wird kaum jemand
in der Bevölkerung etwas einzuwenden
haben. Ganz anders
dürfte dies auf der Seite der
landwirtschaftlichen Erzeuger
gesehen werden, die eben
nur durch Pflanzenschutz und
Antibiotika in der Lage sind,
Massenware zu den vom Handel
vorgegebenen Preisen zu
mi | mi-Meinung
liefern. Die Zeichen stehen
also ganz auf Verteuerung der
Produktion, zumal der Anteil
der Bio-Flächen nach Vorstellung
der Behörde von 8 % auf
25 % der LN steigen soll. Ob der
Markt dabei mitspielt, ist Brüssel
wie immer egal. In Zeiten
einer durch die Coronahysterie
ausgelösten schweren Rezession,
die bereits eingetreten,
aber im Moment noch nicht voll
spürbar ist, werden die Verbraucher
kaum bereit oder in
der Lage sein, für Lebensmittel
mehr auszugeben. Im Gegenteil,
die Rolle der Discounter
wird für den Absatz signifikant
steigen. Dies bedeutet nichts
anderes als noch extremeren
Preis- und Wettbewerbsdruck
für die Landwirtschaft unter
dem Zeichen einer von oben
verordneten Vorreiterrolle in
der Nachhaltigkeit.
Für die Umsetzung der Strategien
steht bereits ein Zeitplan
für zu erlassende Vorgaben. Im
Gesamteindruck muten die einzelnen
Schritte wie der Weg in
den Öko- und Gute-Lebensführungskommunismus
an. So sollen
Wirtschaften und Marketing
in der Nahrungsmittelkette bis
hin zu einer Nachhaltigkeitskennzeichnung
von Lebensmitteln
getrieben werden. Zur Verbesserung
des Klimaschutzes
will die Kommission die Absatzförderung
für tierische Produk-
ROLAND SOSSNA
REDAKTION
te und die Beihilfen überprüfen
und Lockangebote in der Werbung
unterbinden, und: EUFördertöpfe
für Werbung und
Information sollen nur noch für
als „nachhaltig“ definierte Produkte
offen stehen.
Worauf sich Reduktionsziele
in den beiden Strategiepapiere
indes beziehen, ist offen.
Überhaupt werden keine konkreten
Ziele benannt, alles verschwimmt
im nicht eindeutig
zu fassenden Begriff der Nachhaltigkeit,
so auch, was unter
einem nachhaltigen Produkt
zu verstehen ist. Setzt sich
Brüssel mit seinen, man muss
sie so nennen, jeder Vernunft
enthobenen, ideologischen
Vorstellungen durch, drohen
einseitige Nachteile für die
deutsche Landwirtschaft. Denn
EU-Vorgaben werden hierzulande
erfahrungsgemäß peinlich
genau exekutiert, während sie
in anderen Mitgliedsländern oft
als vernachlässigbar gelten (vgl.
NOx Messungen im Straßenverkehr).
Kann sich die Kommission
wider Erwarten in der ganzen
EU durchsetzen, freuen sich die
Landwirte in Übersee über die
teilweise Selbstaufgabe der EUPosition
im Weltagrarhandel.
Ob sich die EU-Bauern dann am
Ende etwas von ihrer Pionierrolle
kaufen können, darf schon
jetzt bezweifelt werden, denkt
Roland Soßna.
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