Nachhaltigkeit
bensmittelgroß- und -einzelhandel, sondern
zunehmend auch Verbraucher, NGOs und
sogar die eigenen Mitarbeiter erwarten unternehmerische
Lösungen, die Umwelt, Mensch
und Tier so gering wie möglich belasten.
Aber wie? 34 Molkereien testen derzeit
ein dreijähriges Pilotprojekt mit der Bezeichnung
„Nachhaltigkeitsmodul Milch“.
Projektpartner sind das Thünen-Institut
für Betriebswirtschaft, der QM-Milch e.V.
mit den Trägerverbänden Deutscher Bauernverband,
Deutscher Raiffeisenverband
und Milchindustrie-Verband sowie das
Projektbüro Land und Markt. Ebenfalls
eingebunden ist der Landeskontrollverband
Nordrhein-Westfalen. Das Konzept
umfasst aktuell einen breiten Katalog mit
Indikatoren und Kriterien aus den Bereichen
Ökologie, Ökonomie, Tierwohl
und Soziales.
Nachhaltiger wirtschaften
mit dem ZNU-Standard
Einen anderen, ganzheitlichen und zertifizierbaren
Weg bietet das „Zentrum
für Nachhaltige Unternehmensführung“
(ZNU). Es hat sich 2008 in der Fakultät
für Wirtschaftswissenschaften an der
Universität Witten/Herdecke angesiedelt.
Anspruch des ZNU ist, das Thema Nachhaltigkeit
speziell für die gesamte Ernährungswirtschaft
greifbar und umsetzbar
zu machen. Rund 70 Unternehmen aus der
Foodbranche haben sich unter dem Dach
des ZNU mittlerweile zu einem Partnernetzwerk
zusammengeschlossen.
„Erst denken, dann handeln, messen und
dann erst kommunizieren ist Basis unseres
Lernpfades“, erklärt Dr. Axel Kölle, mit
Dr. Christian Geßner Gründer und Leiter
des ZNU. Der Lernpfad ist sozusagen der
Einstieg in das große Thema Nachhaltigkeit.
Er basiert auf vier Stufen und berücksichtigt
die „größten Stolpersteine“ (Kölle),
die sich bei den beteiligten Unternehmen
immer wieder zu Beginn einstellen:
• Definition und Messung
von Nachhaltigkeit,
• langfristige Ausrichtung und
• qualifizierte Ausbildung.
Hier greift der ZNU-Nachhaltigkeits-Check,
der Hinweise auf den aktuellen Status einer
Molkerei, Käserei oder Fachgroßhandlung
in Sachen Nachhaltigkeit gibt. Diese erste
Bewertung ist eine Selbstanalyse, die in aller
Regel von Führungskräften des Unternehmens
durchgeführt wird und als Basis
für weitere regelmäßige Überprüfungen
Beispiel 1:
Bio-Molkerei
Söbbeke
Die Molkerei Söbbeke in Gronau-Epe ist seit fast
30 Jahren im Bio-Geschäft aktiv. Sie ist zugleich
auch Vorreiter in der Milchwirtschaft, denn sie
war 2012 das erste Unternehmen, das nach dem
ZNU-Standard zertifiziert wurde. „Bio, das ist zu
100 Prozent ökologischer Landbau und die wichtigste
Säule in der großen Kette aller Nachhaltigkeitsbestrebungen
in unserem Unternehmen“, sagt
Jennifer Czarnik. Die Qualitäts- und Nachhaltigkeitsmanagerin
bei Söbbeke weist ausdrücklich
darauf hin, dass jeder der 160 Milchbauern aus Niedersachsen
und NRW, die die Molkerei beliefern, einem der bekannten
Bio-Verbände angehört.
100 Prozent Bio bedeutet für Söbbeke aber auch 100 Prozent
Genuss. Seit 2005 setzt die Molkerei keine zusätzlichen Aromastoffe
mehr in ihren Produkten ein. Aber bei Söbbeke soll
nicht nur das, was in die Produkte kommt, immer nachhaltiger
werden, sondern auch das, was sie von außen schützt – die Verpackung.
Man setzt auf das Mehrwegglas und den K3-Becher
(weniger Kunststoff durch Kartonmantel) als ökologische Alternative
zum klassischen Kunststoff-Joghurtbecher. Im Käsebereich
wird beispielsweise die „Flotte Berta“, ein echter
Demeter-Schnittkäse, mit einem Überzug aus natürlichen Zutaten
versehen. Seit 2015 wird in der handwerklichen Käserei
in Rosendahl ein Großteil der Molke für die Weiterverarbeitung
in der Lebensmittelindustrie verwertet, anstatt sie als Futtermittel
abzugeben. Und natürlich werden alle Maschinen mit
„grünem Ökostrom“ betrieben. Dazu trägt ein eigenes Blockheizkraftwerk
zur Substitution von fossilen Energieträgern bei.
Diese und die vielen weiteren Projekte, mit denen sich die
Bio-Molkerei auseinandersetzt, zeigen, wie vielfältig die Nachhaltigkeitsthemen
entlang der Wertschöpfungskette eines Unternehmens
sein können. Der ZNU-Standard hilft dem Söbbeke
Team dabei, den in der Firmenphilosophie verankerten
Nachhaltigkeitsgedanken systematisch in den Unternehmensprozessen
zu verwirklichen.
„Als Bio-Unternehmen
haben wir einen
sehr hohen Anspruch
an uns. Der Standard
hat uns bei der
Systematisierung
unserer zahlreichen
nachhaltigen Aktivitäten
unterstützt und
gleichzeitig aufgezeigt,
wo wir noch Handlungsbedarf
haben.
Darüber hinaus hilft er
uns bei der Kommunikation
unserer
Nachhaltigkeitsaktivitäten
in Richtung
Mitarbeiter, Handel
und Verbraucher.“
Nicolò Polla,
Geschäftsführer der
Molkerei Söbbeke
GmbH
der Nachhaltigkeitsorientierung dient. Der
Selbstcheck besteht aus zwei Teilen.
Der erste Teil umfasst das „Wie?“ der
Unternehmensführung. Hierbei stehen die
strategische Ausrichtung und die innere
Haltung des Unternehmens zur Nachhaltigkeit
im Vordergrund. Teil zwei fokussiert
auf das „Was?“ und betrachtet die
Bereiche Wirtschaft, Umwelt und Soziales.
Hinterfragt wird beispielsweise: Was wird
unternommen hinsichtlich Klima, Energie,
Ressourcen, Biodiversität, Tierwohl,
nachhaltiger Wertschöpfung, fairer Bezahlung,
Qualität und Verbraucherschutz?
Der ZNU-Nachhaltigkeits-Check wurde
mittlerweile in über 120 mittelständischen
und auch in größeren Unternehmen aus
der Nahrungsmittelbranche durchgeführt.
Darüber hinaus hat das ZNU mittlerweile
über 250 Fach- und Führungskräfte aus Industrie
und aus dem Lebensmittelhandel
für das Thema Nachhaltigkeit und Risikomanagement
im Rahmen der Nachhaltigkeitsmanager
Ausbildung qualifiziert und
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