DBV-Milchpräsident Karsten Schmal:
Staatliche Vorgaben (aber auch allgemeinverbindliche
Vorgaben eines
Branchenverbandes) können bei der
Gestaltung der Lieferbeziehungen
zwischen Molkereien und Milchbauern
immer nur die zweitbeste
Lösung sein (Foto: Schnitzler/DBV)
2 11 2018 | moproweb.de
Staatliche Vorgaben sind
nur die zweitbeste Lösung
Interview mit dem Milchpräsidenten des
Deutschen Bauernverbandes
mi | mi-Meinung
Aktuell befindet sich die Entwicklung einer
Branchenstrategie für den Milchsektor
in der „heißen“ Phase. Im Zuge
der Überlegungen kam von Seite der Landwirtschaft
auch der Wunsch nach Schaffung einer
Branchenorganisation auf den Tisch. molkereiindustrie
sprach darüber mit Karsten Schmal,
dem Milchpräsidenten des Deutschen Bauernverbandes.
mi: Wie beurteilt der DBV d ie aktuelle B ranchenlage?
Schmal: Die deutschen Milchbauern erhalten im
langjährigen Vergleich etwa 1 Cent je Kilogramm
weniger als ihre Berufskollegen aus Frankreich,
Dänemark oder den Niederlanden. Das kann und
darf nicht der Anspruch der hiesigen Milchwirtschaft
sein! Insgesamt gilt es, ein Wertschöpfungspotential
von jährlich mehr als 300 Millionen
Euro im Sinne der Milchbauern zu heben.
Die Molkereistruktur in Deutschland ist im
internationalen Vergleich kleinstrukturiert bzw.
mittelständisch geprägt. Beachtenswert ist
hierbei die verlangsamte Strukturentwicklung
unter den Molkereien in den letzten Jahren bei
gleichzeitig voranschreitendem Konzentrationsprozess
unter den Lebensmittehändlern.
Das Herbeiführen unternehmerischen Erfolges
bzw. das Beheben von Defiziten bleibt natürlich
die Aufgabe der Akteure am Markt, also
der einzelnen Molkereiunternehmen. Gerade
angesichts der vergleichsweise heterogenen
Strukturen innerhalb des nationalen Milchsektors
ist jedoch zu beachten, dass gemeinsame
Aktivitäten innerhalb der Milchbranche und
positive Begleitung derselben durch staatliche
Institutionen diese Prozesse unterstützen
können. Die Etablierung eines anerkannten
Branchenverbandes wäre hierbei eine wichtige
Stellschraube.
mi: Der DBV plädiert für die Einrichtung einer
Branchenorganisation – Was ist darunter
zu verstehen?
Schmal: Die Gemeinsame Marktorganisation der
EU räumt anerkannten Branchenverbänden im
Wettbewerb eine bevorzugte Stellung ein. Natürlich
können (und sollten) keine Mengen- und
Preisabsprachen in einer Branchenorganisation
erfolgen. Neben den Erzeugerpreisen treibt
uns Milchbauern jedoch zunehmend das Setzen
höherer Produktionsstandards – ohne entsprechende
Berücksichtigung in der Vergütung – um.
Die Gentechnikfreiheit in den Trinkmilchkontrakten
war hier ein deutlicher Wink. Bei der „glyphosatfreien“
Erzeugung von Eigenfuttermitteln
kippen im Moment die ersten Molkereien um,
ohne jegliche Sachbegründung. Als nächstes
wird ggf. die Anbindehaltung auf der Matte stehen.
Über einen anerkannten Branchenverband
könnten gemeinsame Standards nicht nur diskutiert,
sondern auch tatsächlich im Markt gegenüber
starken Abnehmern aus Industrie und
Handel durchgesetzt werden!
mi: Was kann eine BO leisten und was nicht?
Worin bestehen aus Sicht des DBV die Vorteile?
Wir erinnern uns, dass es Landwirte
waren, die seinerzeit die CMA zu Fall gebracht
haben.
Schmal: Die Möglichkeiten eines anerkannten
Branchenverbandes sind in der Gemeinsamen
Marktorganisation weit gefasst. Daher rührt
auch das verbreitete Missverständnis, dass ein
Branchenverband in Krisenzeiten den Milchmarkt
über allgemeinverbindliche Produktionsvorgaben
regulieren könnte. Das ist nach
Ansicht führender Juristen auch aus unseren
Ministerien jedoch nicht der Fall.
Aus unserer Sicht ist dementsprechend wesentlich
wichtiger, was ein anerkannter Branchenverband
in den Bereichen Standardsetzung, Absatzförderung
und Kommunikation leisten könnte. Bei
der Absatzförderung sowie der Branchenkommunikation
machen uns gemeinsame Branchenaktivitäten
in Frankreich, Dänemark, den Niederlanden
oder auch Österreich vor, wie man Gelder zur
Absatzförderung aus Brüssel abrufen sowie breit
wirksame Kommunikationsaktivitäten etablieren
kann, ohne sich dem Wagnis „CMA“ zu nähern. Der
Vergleich mit der CMA hinkt also!
mi: Es tut sich aktuell eine weitere Baustelle
auf. Wir haben einen Mix aus genossenschaftlichen
und privaten Milchkäufern sowie
einigen ausländischen Molkereien, die
hierzulande rohstoffseitig aktiv sind: Kann
es da einheitliche Lieferverträge geben?
Schmal: Der europäische und nationale Gesetzgeber
sieht diese Möglichkeit durchaus. Als Bauernverband
sagen wir jedoch deutlich: Staatliche
Vorgaben (aber auch allgemeinverbindliche
Vorgaben eines Branchenverbandes) können bei
der Gestaltung der Lieferbeziehungen zwischen
Molkereien und Milchbauern immer nur die
zweitbeste Lösung sein. Dafür sind die Strukturen
unter den Molkereien, aber auch den Milchbauern
tatsächlich zu unterschiedlich.
Dennoch sehen wir dringenden Handlungsbedarf!
Weiterhin liegen die Preisrisiken fast vollständig
bei den Milchbauern. Angesichts stark
schwankender Produkt- und Erzeugerpreise
müssen in den Lieferbeziehungen praktikable
Möglichkeiten geschaffen werden, mit denen
sich Milchbauern über einen längeren Zeitraum
ihre Erzeugerpreise absichern können. Auf der
anderen Seite ist die Planungssicherheit für
Molkereien bzgl. der Anlieferungsmengen offensichtlich
nur in einem unbefriedigenden Umfang
gewährleistet. Diese Mengen müssen zwischen
Milchbauern und Molkereien verlässlicher
und verbindlicher abgestimmt werden.