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Qualitatives Benchmarking:
Abweichungen
zu Best-Practice schnell
erkennen
Das qualitative Benchmarking basiert auf
einer sogenannten „Stages-of-Excellence"-
Bewertung (auch Reifegradmodell genannt).
Bei dieser werden alle Aufgaben und Prozesse
einer Dimension des SCMIF auf vier
unterschiedlichen Ausprägungsniveaus (z. B.
„Nachzügler", „Durchschnitt", „Fortschrittlich"
und „Best-Practice") beschrieben. So
kann z. B. die Aufgabe „Prognosegütenmessung
und Incentives" in der Dimension „Sales
& Operations Planning" folgende Ausprägungsstufen
haben (siehe Abbildung 2).
Nun gilt es, den aktuellen Leistungsstand
in allen SCM bezogenen Aufgaben und Prozessen
des Unternehmens zu erfassen und
einer Stufe zuzuordnen. Insgesamt sind für
eine gesamthafte Bewertung des aktuellen
Leistungsstands des Unternehmens zahlreiche
Einzelbewertungen vorzunehmen. Auf
diese Weise wird schnell deutlich, bei welchen
Dimensionen und bei welchen Themen
die größten Abweichungen zu Best-Practice
existieren.
Quantitatives Benchmarking:
Größenordnungen
von Potentialen ermitteln
Ergänzend zum qualitativen Benchmarking
erfolgt in einer Reihe von Analysedimensionen
ein quantitatives Benchmarking. Auf diese
Weise werden viele Einschätzungen des
qualitativen Benchmarkings nochmals objektiviert
und in vielen Fällen auch quantifiziert,
so dass die Größenordnung eines möglichen
Potentials ermittelt werden kann. Die Möglichkeiten
des quantitativen SCM Benchmarkings
sind vielfältig. Einige Beispiele:
• Über ein Prognosegüten-Benchmarking
kann die Performance des S&OP
Prozesses gut erhoben werden. Hierzu
können Gütemaße für Prognosen,
z. B. der Mittlere Absolute Prozentuale
Fehler (MAPE) oder die systematische
Verzerrung der Prognosen
(Tracking Signal, TS), auf Produktgruppen
oder SKU-Ebene erhoben
und bewertet werden.
• Bilanzkennzahlen können einen guten
ersten Eindruck der Bestände an Roh-,
Hilfs- und Betriebsstoffen, Zwischenprodukten
und Fertigwaren geben.
Über den elektronischen Bundesanzeiger
stehen die entsprechenden Daten
18 3 2021 | moproweb.de
Abbildung 3: Beispiel Benchmarking-Ergebnisse und Maßnahmen
von Vergleichsunternehmen zur Berechnung
von z. B. Lagerumschlagshäufigkeiten
zur Verfügung.
• Die Prozesskosten in der Logistik können
ebenfalls gut verglichen werden, da es
sich um relativ standardisierte Tätigkeiten
handelt, die in vielen Unternehmen
ähnlich ablaufen. So zeigt ein Vergleich
der Kostensätze für den Wareneingang,
die Lagerung und den Warenausgang
von Europaletten schnell, ob ein Potential
zur Kostenreduzierung besteht.
• Die Steuerung der Produktionsprozesse
kann in der Molkereiindustrie ebenfalls
gut gebenchmarkt werden, da die Produkte
der Wettbewerber im Einzelhandel
erworben werden können. Auf diese
Weise lassen sich z. B. Vergleichswerte
für Anteile von Inhaltsstoffen wie
Wasser- oder Fettgehalte oder für die
Überfüllung von Produkten ermitteln.
Wie bei jedem Benchmarking besteht natürlich
die Gefahr, „Äpfel mit Birnen" zu vergleichen.
Daher sind die quantitativen Vergleiche
zunächst einmal mit einer gesunden Skepsis
zu betrachten. Auf der anderen Seite zeigen
größere Abweichungen von den relevanten
Best-Practice Benchmarks in aller Regel, dass
entsprechende Potentiale bestehen, die
dann auch gehoben werden können.
Gesamtbewertung und
Optimierungsmaßnahmen
Letztlich werden die Benchmarking-Ergebnisse
zusammenfassend dargestellt, um die
nun anzustoßenden Optimierungsmaßnahmen
zu definieren (siehe Abbildung 3). Dazu
werden drei Bewertungen aufgenommen:
• Die eigene Bewertung des Unternehmens
hinsichtlich des Leistungsstandstandes
in den einzelnen Dimensionen
des SCMIF bildet die Grundlage. Dazu
wird ein Durchschnitt der Bewertungen
einzelner Mitarbeiter aus verschiedenen
Abteilungen und funktionalen Bereichen
(360-Grad-Bewertung) gebildet.
• Die externe Sicht eines SCM Beraters
ergänzt die eigene Bewertung des
Unternehmens, da Selbst- und Fremdbild
häufig nicht deckungsgleich sind.
• Letztendlich wird gemeinsam ein Sollzustand
definiert, den es zu erreichen
gilt. Dieser Sollzustand muss nicht immer
100 % des Möglichen umfassen, gerade in
mittelständischen Unternehmen ist eine
Zielsetzung „mit Augenmaß" unerlässlich.
Zur Schließung der Lücken werden im Anschluss
die entsprechenden Optimierungsmaßnahmen
definiert. Die Benchmarking-
Ergebnisse stellen dabei sicher, dass
• Optimierungsmaßnahmen in den Bereichen
initiiert werden, in denen die größten
Lücken zu Best-Practice bestehen,
• Die Größenordnung eines möglichen Potentials
bereits eingeschätzt werden kann, und
• Durch den Einbezug vieler Mitarbeiter
in das Benchmarking-Projekt eine hohe
Akzeptanz der Maßnahmen in der Organisation
besteht.
Die Ergebnisse des SCM-Benchmarkings sind
beispielhaft in Abbildung 3 zusammengefasst.
Fazit
Mit qualitativem und – wo immer möglich
– quantitativem Benchmarking können
Schwachstellen im SCM eines Unternehmens
schnell und auf den Punkt identifiziert werden.
Der umfassende Ansatz über alle Dimensionen
des SCMIF hinweg gewährleistet
dabei, dass alle relevanten Themen durchleuchtet
und keine Potentiale übersehen
werden. Zusätzlich liefert das Benchmarking
eine erste Indikation über die Höhe der möglichen
Potentiale. Somit ist Benchmarking
der ideale Ansatz, um ein Supply Chain Optimierungsprojekt
zu starten.
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