INDUSTRIE ❙ VERPACKUNG
GETRÄNKEKARTON-RECYCLING
zent der jährlich anfallenden Menge stofflich
verwertet haben. Letztlich mussten aber alle
wegen wirtschaftlicher oder technischer Probleme
aufgeben. Hohe Renditeerwartungen
der Investoren,
ein schwieriges Marktumfeld,
niedrige Primärkunststoffpreise oder die Aufbereitungstechnik
kam mit diesem inhomogenen
Stoffgemisch nicht klar. Es gab viele
Gründe, aus denen die Palurec bei der Projektierung
der eigenen Anlage lernen konnte.
Ein Sonderfall war die chinesische Firma Luhai:
Dort funktionierte die Technik. Aus den Folienresten
wurden bis 2017 u. a. Schaumstoffmatten,
Sohlen für Sportschuhe und oder
Fassadenverkleidungen hergestellt. Dann kam
die Green-Fence-Politik. Seitdem die Chinesen
fast nichts mehr ins Land lassen, steigen die
Kosten für die thermische Verwertung. Daraus
folgt: Die Attraktivität des Getränkekartons
als Rohstoff für die Papierindustrie wird
steigen, wenn es verlässliche, kostengünstige
Verwertungslösungen für die Reststoffe gibt.
Außerdem gewinnt die Recyclingfähigkeit einer
Verpackung bei der Bemessung der Lizenzentgelte
zunehmend an Bedeutung.
Sie gehen also davon aus, dass die Lizenzgebühren
für den Getränkekarton sinken,
wenn die Folien und Verschlüsse des Getränkekartons
wieder stofflich verwertet
werden?
Nach der Inbetriebnahme der neuen Palurec-
Anlage können – statt bisher ca. 70 Prozent
bis 80 Prozent – deutlich mehr als 90 Prozent
des Materials der gebrauchten Getränkekartons
stofflich verwertet werden.
„DIE DERZEITIGE VERENGUNG
DER ÖFFENTLICHEN DISKUSSION
AUF DAS RECYCLING-THEMA
WIRD DER KOMPLEXITÄT ÖKOLOGISCHER
ZUSAMMENHÄNGE
UND DEM ZIEL EINES GANZHEITLICHEN
UMWELT- UND KLIMASCHUTZES
NICHT GERECHT.“
Michael Kleene, Geschäftsführer
des Fachverband Kartonverpackungen
für flüssige Nahrungsmittel.
Wenn man sich umhört, ist zunächst davon
auszugehen, dass die Lizenzpreise für alle Verpackungen
steigen werden. Das liegt vor allem
an deutlich gestiegenen Sammel- und Sortierkosten
aufgrund der hohen Recyclingvorgaben
des Verpackungsgesetzes. Dazu kommt, dass
sich die Erwartung, mit der Einrichtung der
Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZVSR),
würde deutlich mehr Geld ins System kommen,
bislang nicht erfüllt hat. Schaut man ins
Gesetz, sind die Dualen Systeme aufgefordert,
Gebührenmodelle zu etablieren, die gut recycelbare
Verpackungen fördern. Dazu hat die
ZVSR einen Mindeststandard zur Bemessung
der Recyclingfähigkeit veröffentlicht. Legt man
den zugrunde, liegt der Wertstoffgehalt des
Getränkekartons – also das, was man stofflich
verwerten kann – je nach Ausstattung der
Verpackung, derzeit bei ca. 70 bis 80 Prozent.
Für alle Verpackungstypen wird er auf deutlich
über 90 Prozent steigen, sobald die Palurec-
Anlage in Betrieb geht.
Welche Effekte hat das Recycling bei
Palurec für die Ökobilanz? Der FKN hat
ja vor kurzem eine Studie vorgestellt, die
den Getränkekarton bei Frisch- und HMilch
deutlich vor den Wettbewerbsverpackungen
sieht.
Da es zu der neuen Anlage noch keine Prozessdaten
gab, wurden diese in der aktuellen
Ökobilanz nicht berücksichtigt. Aus Daten
anderer Anlagen wissen wir aber, dass sich
das Ergebnis allenfalls graduell verbessern
wird. Es ist ja nicht so, dass die derzeitige
thermische Verwertung dieser Reststoffe in
Zementfabriken einen ökologischen Sündenfall
darstellt. Ein Beispiel: Das Rohrdorfer
Zementwerk in Bayern liegt fünf Kilometer
von der Raubling Papier entfernt, die seit 25
Jahren Getränkekartons verarbeitet. Früher
wurde dort Steinkohle verfeuert, um Zement
herzustellen. Durch die Beimischung der PE-/
Aluminium-Reststoffe sind die Emissionen
deutlich zurückgegangen. Grundsätzlich gilt:
Nicht jedes Recycling ist der thermischen
Verwertung ökologisch überlegen. Auch Recyclingprozesse
verursachen Umweltlasten.
Die derzeitige Verengung der öffentlichen
Diskussion auf das Recycling-Thema wird der
Komplexität ökologischer Zusammenhänge
und dem Ziel eines ganzheitlichen Umwelt-
und Klimaschutzes nicht gerecht. Alle Ökobilanzen
zeigen: Die positive ökologische
Bewertung des Getränkekartons ist vor allem
auf seinen hohen biogenen Anteil zurückzuführen
und hängt nicht entscheidend von der
Höhe der Recyclingquote ab.
Welche Mengen werden in der neuen Anlage
verarbeitet und was wird dort hergestellt?
In der ersten Ausbaustufe steht eine Kapazität
von rund 18.000 Tonnen zur Verfügung. Wir
haben aus den genannten Gründen bewusst
darauf verzichtet, von Beginn an Rezyklate
auf höchstem Qualitätsniveau zu erzeugen.
Entscheidend ist, dass für unsere Qualitäten
Abnehmer vorhanden sind. Dies ist z. B. in
der Automobilindustrie der Fall. Die Anlage
produziert im Wesentlichen drei Fraktionen:
Polyethylen niedriger Dichte (LDPE), das sich
u. a. für Spritzgussanwendungen eignet, Hart-
Polyethylen (HDPE), das für unterschiedlichsten
Anwendungen im Non-Food-Bereich eingesetzt
werden kann und Aluminium in einer
Qualität, die sich u. a. als Beimischung für
Gussteile
eignet. n
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