4 2 2020 | moproweb.de
Schöner Titel, geringe
Praxistauglichkeit
Das Gesetz zur Modernisierung und Stärkung
der beruflichen Bildung
mi | mi-Meinung
Roland Sossna
Redaktion
Gesetzestitel werden
heute durchweg
sehr eingängig und
angenehm klingend
formuliert, die eigentlichen
Gesetze sind in aller Regel
aber schlampig konstruiert und
werden im Eiltempo, ggf. auch
in Nachtsitzungen mit zuweilen
nicht beschlussfähiger Abgeordnetenzahl
durchgepeitscht.
Dass eine neue Regelung auf ihre
möglichen Auswirkungen geprüft
wird, bevor sie Gesetzeskraft
bekommt, ist kaum noch
der Fall. Stattdessen herrscht
purer Aktionismus, sowohl im
Reichstag als auch in den Landtagen.
Hauptsache, es geht mit
dem „Sozialen“ und dem „Klima“
irgendwie „voran“.
Am 1. Januar trat mit dem
Gesetz zur Modernisierung und
Stärkung der beruflichen Bildung
nun eine Novellierung des
Berufsbildungsgesetzes in Kraft.
Diese wurde in extrem kurzer
Zeit ‚vorbereitet‘, und deswegen
wird sie im Alltag wohl auch
noch einigen Ärger bereiten.
Die Festlegung einer Mindestvergütung
für Auszubildende
wird für die Milchindustrie eher
uninteressant sein, denn es bestehen
überall entsprechende
Tarifverträge. Tiefgreifendere
Auswirkungen könnte dagegen
die Teilzeit-Ausbildung haben, die
jetzt für alle und nicht mehr nur
für Eltern oder Pflegende möglich
ist. Die Arbeitszeit kann auf
bis zu 50 % verringert werden,
während sich die Ausbildungszeit
auf bis das 1,5-Fache verlängern
kann. Es ist dem Azubi sogar erlaubt,
nebenbei einen anderen
Job aufzunehmen, um seinen Lebensunterhalt
bestreiten zu können.
Die Frage ist, was sich in den
Betrieben an Inhalten bei einer
so geringen verfügbaren Stundenzahl
überhaupt noch vermitteln
lässt, Schulung, Urlaub
und Krankheit sowie ein möglicher
Antrag auf Verkürzung der
Ausbildungszeit schmälern den
Zeitrahmen ja ihrerseits noch
deutlich. Hinzu kommt, dass bei
der üblichen Blockschulung jetzt
25 Wochenstunden zur Erfüllung
der Arbeitszeit reichen. Es wird
sich zeigen, ob in einem solchen
Szenario noch ausreichend praktische
Fähigkeiten erworben
werden können.
Einen echten Bärendienst erweist
die Neuregelung dem etablierten
dualen System mit seinen
anerkannten Ausbildungsberufen
und Fortbildungsgängen durch
die Einführung der weiteren
Qualifikationsstufen „Geprüfte/r
Berufsspezialist/in“, „Bachelor
Professional“ und „Master Professional“.
Schon mit dem umstrittenen
Bachelor und Master
auf Universitätsebene wurde
das Ziel der Mobilität innerhalb
der EU sowie in Deutschland
nicht erreicht. Nun folgt zu allem
Überfluss die unnötige Gleichstellung
der Meisterprüfung mit
einem universitären Bachelor-
Abschluss. Die Ausrichtung einer
Hochschulausbildung ist und
bleibt eine andere als die eines Industriefachberufs.
Die eine Seite
befasst sich klassisch mit planenden/
leitenden Funktionen, die
andere ist vorwiegend mit reiner
Produktion betraut, auch wenn
die Grenzen zunehmend fließend
werden. Zum Glück, möchte man
sagen, wird aufgrund der Fortbildungsstundenzahl
ein deutscher
Molkereimeister aktuell kaum
zum Bachelor Professional werden
können. Allerdings mag sich
in Zukunft eine Nachfrage genau
danach ergeben, was sich dann
auch in allfälligen neuen Prüfungsordnungen
niederschlagen
müsste. Ob sich auf diesem Weg
die Fachkräfteversorgung für die
Milchindustrie merklich bessern
wird, darf durchaus angezweifelt
werden. Jedenfalls steht die
Branche nun vor der Neuordnung
der Meisterprüfungs-Verordnungen
für den Molkereimeister/in
sowie Labormeister/in und sollte
sich Gedanken über Für und Wider
eines Bachelor Professional
machen.
Alles in allem adressiert das
Gesetz zur Modernisierung und
Stärkung der beruflichen Bildung
die wirklichen Nöte der
Wirtschaft nicht oder nur kaum,
zumindest gilt dies für die Milchwirtschaft.
Mit noch so modern
klingenden Bezeichnungen lässt
sich dem grundlegenden Mangel
an Fachkräften und solchen, die
bereit sind, den im Vergleich zu
anderen Berufen harten Weg in
der Milchwirtschaft einzuschlagen,
keinesfalls abhelfen, meint
Roland Soßna.