4 6 2019 | moproweb.de
Angriff von allen Seiten
Die Milchwirtschaft wird Federn lassen müssen
Einmal nach „Milch“
googeln ergibt allein
für die deutschsprachige
Einstellung 52,7
Mio. Fundstellen. Bereits auf
dem zweiten Platz kommt ein
Artikel „Ist Milch gesund?“, auf
Rang 11 folgt „Die 11 größten
Milch Mythen“. Auf nachgeordneteren
Rängen finden sich
unzählige Verrisse wie der bei
„Quintessence: Der Murks mit
der Milch“, in denen alle Aussagen,
wie es der Titel schon verspricht,
ins Absurde abdriften.
Dass Milch angeblich krank
macht, kann man in den
Schmuddelecken im Web ebenso
wie in den davon abkupfernden
Mainstreammedien lesen.
Das Spektrum der Kritik, regelmäßig
nur von Nicht-Fachkompetenten,
dafür aber oft umso
geschäftstüchtigeren Zeitgenossen
geäußert, umfasst so
gut wie alle Inhaltsstoffe, wem
das nicht ausreichende Wirkung
zu entfalten scheint, der
erfindet kurzerhand irgendwelche
Krankheitserreger hinzu,
mit denen Milch kontaminiert
sein könnte. Bei einem Teilaspekt,
nämlich bei der Lactose,
hat die Milchwirtschaft allerdings
längst selbst die Flanken
geöffnet: wer etwas aus der
ernährungsphysiologischen
Idealkomposition Milch herausnimmt,
weil es in manchen Augen
angeblich so fürchterlich
unbekömmlich ist, der muss
mi | mi-Meinung
sich nicht wundern, wenn sein
Produkt insgesamt kritischer
beleuchtet wird.
Eines der nachgewiesenermaßen
gesündesten Lebensmittel,
das die Natur hervorgebracht
hat, ist Zielscheibe
permanenter, ideologisch geführter
Angriffe geworden
ist. Dabei geht es z. B. um die
CO2-Bilanz unter dem Motto
„Diese Lebensmittel sind Klimakiller“.
Fake News, wonach die
weltweit fünf größten Fleisch-
und Milchkonzerne mit ihren
kombinierten CO2-Emissionen
mehr Treibhausgase als die Ölmultis
generieren (z. B. taz vom
18.7.18) tauchen immer wieder
auf, auch wenn sie argumentativ
längst als das entlarvt wurden,
was sie sind, nämlich kompletter
Unfug.
Was ebenfalls einfach nicht
tot zu kriegen ist, ist die Behauptung,
dass der Export
„billiger/subventionierter“ europäischer
Mopro den Aufbau
einer Milchwirtschaft in den Importländern
verhindern würde.
Bewusst außer Acht gelassen
wird dabei, dass Milch beileibe
nicht überall in ausreichender
Menge, von Qualität erst gar
nicht anzufangen, produziert
werden kann, und parallel die
Geburtenzahlen in den Drittländern
geradezu explodieren
– aber was macht das schon,
wenn sogar ein Regierungsmitglied
wie Gerd Müller (CSU!)
ROLAND SOSSNA
REDAKTION
einer solchen Tatsachverdrehung
das Wort redet?
Beim Tierwohl eröffnet sich
eine ganz neue Front. Marschieren
die Discounter so
forsch weiter wie bisher, wird
es möglicherweise bald zu einer
Diskriminierung der „normalen“
Milchwirtschaft kommen,
mit der jede Chance auf eine
strukturbruchlose Weiterentwicklung
hin zu mehr Tierwohl
genommen werden könnte.
Die Aufzählung könnte ewig
so weitergehen. Klar ist, dass
die Branche multidimensional
vorgetragenen Angriffen ausgesetzt
ist und keinen Schutz
durch die Politik mehr findet.
Diese ist mit sich selbst beschäftigt:
im Wettlauf um die
sinkende Wählergunst scheuen
sich die einstigen Volksparteien
nicht, gefährliche, zuweilen
irrsinnige Parolen auszugeben.
Wen es dann zufällig trifft, z. B.
die Milchwirtschaft, ist egal,
Hauptsache man bleibt am
wohlgefüllten Futtertrog. Das
Beispiel der Deutschen Umwelthilfe
zeigt, dass die Parteien
längst das Heft der Handlung
verloren haben und NGOs ihrerseits
nun die Standards setzen.
Der anhaltende, massierte
Angriff von allen Fronten lässt
nichts wirklich Gutes für die
Zukunft der Milchwirtschaft in
Deutschland erwarten, denkt
Roland Soßna.