mi-Meinung: - Kommentar: Marktregulierung und ökonomischer Widersinn feiern Urständ‘ - Klartext: Tote Regulierungen nehmen zuweilen neue Gestalt an

molkerei-industrie_08_2016

mi | mi-Meinung REDAKTION Nach langer Opposition hat sich die EU Kommission doch noch dazu verleiten lassen, eine Prämie für eine freiwillige Reduzierung der Milchanlieferung auszusetzen. Auf dem Agrarrat Mitte Juli kündigte Agrarkommissar Phil Hogan dafür ein Budget von sage und schreibe 150 Mio. € an. Nach bisherigem Plan soll jedes Kilogramm nicht gelieferte Milch mit 14 Cent bewertet werden. Vom ursprünglich einmal diskutierten Ziel der EU-weiten Herausnahme von 2 Mio. t bleibt damit nur noch die Hälfte übrig, bezogen auf Deutschland lassen sich ca. 150 Mio. kg Nichtlieferung finanzieren. Ins- 4 8 2016 | moproweb.de Noch nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein Marktregulierung und ökonomischer Widersinn feiern Urständ‘ Der Zombie ist unter uns! Tote Regulierungen nehmen zuweilen neue Gestalt an Die Kreolen wurden für ihren, von arroganten Westlern für naiv gehaltenen Glauben lange Zeit verspottet, allenfalls diente das Konzept des Zombies als willkommene Vorlage für Abertausende von Schundfilmen. Nach dem Agrarrat Mitte Juli ist indes bewiesen, dass Totes tatsächlich wiederkehrt – und zwar in Form der alten staatlichen Milchliefermengenregelung, die, gerade erst vor ca. einem Jahr jämmerlich verblichen, als Nichtlieferprämie in die reale Welt zurück findet. Diese Redaktion meint, dass sich die Weltöffentlichkeit bei den Bewohnern Haitis gebührend entschuldigen sollte. Der Wiedergänger Lieferbeschränkung ist sicher nur der Anfang. Die Tore der (ökonomischen) Hölle sind jetzt weit geöffnet, allerlei Damönisches kann nun entweichen und auf der bäuerlichen Erde wandeln. Bald schon werden wir alles und jedes, von der Produktion von Heu bis hin zu bauernhofindividuellen Dieselbezugsrechten quotiert haben. Das I-Tüpfelchen wird 2020/2021 dann sein, dass der Staat angemessen faire Preise für alle landwirtschaftlichen Produkte vorgibt. Aber warum, fragt sich Roland Soßna, geht die CDU/CSU eigentlich den mühsamen Umweg über die Grünen, wenn sie doch gleich eine Allianz mit dem BDM bilden könnte? gesamt ist die neue Nichtlieferprämie damit noch nicht einmal der viel zitierte Tropfen auf den heißen Stein, 1 Mio. t weniger Milch wird faktisch kaum einen Effekt auf die sich im 4. Quartal ohnehin schon erholenden Märkte haben, der Aufwand, immerhin die genannten 150 Mio. €, effektlos verpuffen. Aber es darf ja keinesfalls heißen, Europa würde seine Landwirte am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Dass Brüssel eben nicht mehr Mittel locker machen kann, ist einzig der knappen Haushaltslage und nicht mangelndem Willen zuzuschreiben – dies ist die eigentliche Botschaft, die mit dem Verprassen der 150 Mio. € einhergehen soll. Eine zugegeben etwas teure PR-Maßnahme. Aber wir bewegen uns ja auch auf europäischer Ebene … Hinter dem Nachgeben Hogans steht eindeutig der politische Wille des Weimarer Dreiecks, ein Schulterschluss der Länder Polen, Frankreich und Deuschland, der nach dem Brexit in der Rest-EU zunehmend das Sagen haben wird. Das zentralistische Frankreich will ohnehin längst (oder schon immer) die Marktabschottung für seinen Agrarsektor, und in Deutschland bahnt sich offenbar ein historischer Politikwechsel an, nämlich die Ablösung der Großen Koalition durch ein Bündnis von Schwarz und Grün. Nicht anders ist zu erklären, dass Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt vor kurzem eine unerhörte Kehrtwende vollzogen hat: der einstige Gegener jeder Beschränkung der Milchanlieferung ist plötzlich derjenige, der den Lieferverzicht gegen Kompensation lautstark fordert und sich damit die Position der Grünen zueigen macht. Letztere verlangen ja schon lange Zeit, dass die deutsche Milchmenge zurückgefahren wird, vorzugsweise auf das Niveau der Selbstversorgung. Im Endeffekt hat sich die Erzeugerorganisation BDM, die anhaltende Marktkise geschickt ausnutzend, mit ihrer Philosophie von der Rückkehr zur staatlichen Marktverwaltung ein Stück weiter durchgesetzt. Bislang fand der BDM nur bei den Grünen (und Teilen der national unwichtigen CSU) offene Ohren. Es steht zu erwarten, dass die Grünen, wenn die Pläne zur Koalition mit CDU/CSU aufgehen, gerade ihre agrarischen Positionen zur Grundlage der deutschen und z. T. sicher auch der europäischen Politik machen werden. Von daher wird für die Legislaturperiode ab 2018 ein gehöriges Maß an ökonomischem Wider/ Wahnsinn zu erwarten sein. Zum Trost sei gesagt, dass der deutsche Milchsektor schon einmal eine grüne Ägide aushalten musste (man erinnert sich mit wahrem Gruseln an Renate Künast …) – und immer noch am Leben ist, meint Roland Soßna.


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