Page 37

molkerei-industrie_06_2016

Logistik und der Auftragsabwicklung im Sinne eines beim Kunden beginnenden und endenden Wertschöpfungsnetzwerks. Erste Ansätze sind auch hier bereits sichtbar, in denen funktionierende Lösungen der Vernetzung von Menschen aus anderen Bereichen transferiert wurden. Der Durchbruch wird hier jedoch von der Realisierung des »Internet der Dinge« (auch: Internet of Things, Internet of Everything) erwartet – der Vernetzung von Menschen, Objekten und Maschinen miteinander. Industrie 4.0 Diese Idee wird in Deutschland unter dem Titel »Industrie 4.0« vorangetrieben, hinter der sich ein erwartetes neues Produktionsparadigma verbirgt. In diesem suchen sich Aufträge, Materialien und Produkte selbständig ihren Weg durch Wertschöpfungsnetzwerke, organisieren sich ad hoc und können in Echtzeit umgeleitet werden, bspw. aufgrund sich ändernder Kundenpräferenzen. Erwartet wird dadurch die Realisierung einer Produktion kundenindividueller Produkte in Losgröße 1 zu Kosten der Massenproduktion. Gespeist wird diese Erwartungshaltung durch die Erfahrung aus der Geschichte des Internets, in der sich digitalisierte Lösungen als fast beliebig skalierbar erwiesen haben. Die Grundlagen sind bereitet. Bereits heute entfallen laut VDMA rund 30 Prozent der Herstellkosten für ein Maschinenbauprodukt auf IT – Tendenz steigend. Bis 2020 werden 50 Mrd. Objekte mit dem Internet vernetzt sein. Das durch die Vernetzung der Industrie erzeugte Potenzial wird durchgängig als sehr bedeutsam eingeschätzt. Die Erwartungen des volkswirtschaftlichen Potenzials für Deutschland erstrecken sich von 20 bis 145 Milliarden Euro jährlich (vgl. /1/2/3). Die Erwartungshaltung von Industrie 4.0 bezieht sich nicht explizit auf die Neuentwicklung technologischer Innovationen. Vielmehr wird die Anwendung einer Reihe von Technologien subsummiert, denen allen gemein ist, dass sie die Digitalisierung industrieller Wertschöpfung vorantreiben. Die grundsätzlichen Technologiefelder umfassen sechs Bereiche (vgl. /4): • Kommunikation ((r)echtzeitfähig, drahtlos und drahtgebunden, Mobilgeräte) • Sensorik (miniaturisiert und vernetzt) • Eingebettete Systeme (dezentrale Intelligenz, Energy Harvesting, dezentrale ID-Technologien) • Aktorik (intelligent, vernetzt und sicher) • Mensch-Maschine-Schnittstelle (kontextbasiert, individuell und multi-modal) • Software/Systemtechnik (Simulation, maschinelles Lernen, Big Data) Gemein ist allen Bereichen und den Anwendungen, dass sie hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und der Verfügbarkeit mittlerweile auch im industriellen Umfeld einsetzbar sind. So befinden sich zahlreiche Technologien bereits in einem implementierfähigen Reifegrad. Arbeitsplatz der Zukunft Die Digitalisierung wird alle Unternehmensbereiche verändern und neben Geschäftsmodellen, Wertschöpfungsketten und Geschäftsprozessen auch die manuellen Arbeitsplätze verändern: Forscher des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation gehen bei der Betrachtung des manuellen Arbeitsplatzes von vier prägenden Merkmalen aus (siehe Abbildung 1): • Individualisierbarkeit gemäß Mitarbeiter, Arbeitsaufgabe und Situation, wie beispielsweise Anpassung der Tischhöhen oder Lichteinstellung • Neuartige Interaktionsformen innerhalb der Arbeitsaufgabe, wie beispielsweise Social Media-Funktionalitäten zur Meldung von Störungen oder gestengesteuerten IT-Systemen • Sichere Echtzeitvernetzung von Mensch, Maschine und Daten, wie beispielsweise der Bereitstellung von Echtzeitdaten zu Montageprozessen und intelligenten Materialbereitstellungen • Physische und digitale Assistenzfunktionen gemäß Mitarbeiter-Qualifikation, Arbeitsaufgabe und Situation, wie beispielsweise kollaborierende Leichtbauroboter und kontextbasierte Informationsbereitstellung Einflüsse der Digitalisierung auf manuelle Arbeit Bedingt durch die Durchdringung digitaler Einflüsse in manuellen Arbeitstätigkeiten sowie die ergänzende flexible Automatisierung (auch in Form einer Mensch-Roboter- Kollaboration), wird Arbeit als solche massiven Veränderungen unterworfen sein. Mitarbeiter der Zukunft werden sich nicht nur an veränderten Arbeitsplätzen und -umgebungen wiederfinden, sie werden auch andere Arbeitsinhalte ausführen, in flexibleren Arbeitsorganisationen eingebunden sein und somit veränderte Kompetenzanforderungen erfüllen müssen. Um die digitale Transformation im Unternehmen erfolgreich zu meistern, müssen Verantwortliche zunächst eine Unternehmensstrategie und die damit verbundenen Ziele erarbeiten (vgl. /4/5): Dies beinhaltet auch die Bereitschaft sich für organisatorische Veränderungen zu öffnen und Freiraum für Bottom-Up-Vorgehen zu schaffen. So können Unternehmen von Beginn an spätere Nutzer in den Prozess einbinden und sowohl das Prozesswissen gewinnbringend nutzen als auch die Akzeptanz für spätere Umsetzungen sicherstellen. Quellen: 1. acatech. Promotorengruppe Kommunikation der Forschungsunion Wirtschaft und Wissenschaft (Hrsg.): Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0, Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0. Berlin; 2013 2. Bauer, W.; Schlund, S.; Marrenbach, D.; Ganschar, O.: Industrie 4.0 – Volkswirtschaftliches Potenzial für Deutschland. Hg. BITKOM, 2014 3. Wischmann, S.; Wangler, L.; Botthof, A.; Industrie 4.0 – Volks- und betriebswirtschaftliche Faktoren für den Standort Deutschland. Eine Studie im Rahmen der Begleitforschung zum Technologieprogramm AUTONOMIK für Industrie 4.0 im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie; März 2015 4. agiplan et al.: Erschließen der Potenziale der Anwendungen von Industrie 4.0 im Mittelstand“, Berlin, 2015 5. Ingenics/Fraunhofer IAO 2014: Industrie 4.0 – Eine Revolution der Arbeitsgestaltung. Wie Automatisierung und Digitalisierung unsere Produktion verändern werden. Ulm, 2014 6 2016 | moproweb.de 37


molkerei-industrie_06_2016
To see the actual publication please follow the link above