4 8 2019 | moproweb.de
Chancen ergreifen,
wenn sie sich auftun
Substitute eröffnen enormes Absatzpotenzial
Man muss nicht
hinter allem stehen,
man muss
auch gar nicht
alles verstehen, was sich an
Entwicklungen in der Gesellschaft
– und damit auch am
Ernährungsstil – ergeben hat
bzw. gerade abzeichnet. Aber
man sollte tunlichst zur Kenntnis
nehmen, dass die Mopro-
Märkte vor einer Revolution
stehen. Alternative Produkte
ersetzen zunehmend traditionelle
Milcherzeugnisse. Hier
haben sich längst ganz neue
Absatzchancen für Milchverarbeiter
aufgetan, die sie entsprechend
nutzen sollten. Ob
diese Gelegenheiten aufgegriffen
werden, muss jedes Unternehmen
selbst entscheiden
– und dies vor allem auch nach
innen argumentieren.
Laut Persistence Market Research
wird der Absatz von
veganen „Käsen“ bis 2028 um
im Mittel 8,6 % pro Jahr wachsen.
Future Market Insights
prognostiziert, dass der weltweite
Umsatz mit alternativen
Milchprodukten bis 2029 auf
24,6 Mrd. US $ steigen wird, bei
einem CAGR von 8,3 %. Hexa Research
sieht den globalen Markt
für veganen „Joghurt“ im Jahr
2015 bei 2,53 Mrd. US $, das
Wachstum soll durchschnittlich
16,4 % p.a. betragen.
Auch wenn hinter solchen,
zuweilen etwas reißerisch herausgestellten
Prognosen auch
ein Stück Absatzwerbung für
die i.d.R. teuren Marktstudien
mi | mi-Meinung
steht, sind es doch echte Hausnummern,
die hier geboten
werden. Vor dem Hintergrund
in manchen Mopro-Teilmärkten
sinkender Absatzzahlen, man
denke an Kaffeesahne, Konsummilch
oder Fruchtjoghurt,
bietet sich das Segment der alternativen
Produkte geradezu
an, von Molkereien bearbeitet
zu werden. Wer sonst hätte so
viel Know-how, Kapazitäten, Erfahrung
in umkämpften Märkten,
Marketingschlagkraft und
Qualitätsphilosophie, die er in
die Substitutproduktion einbringen
könnte? Und dass die
Erzeugnisse am Ende schmecken
müssen, auch das wissen
die Milchverarbeiter.
Marktkennern zufolge dürften
auch bei uns gerade milchähnliche
Drinks einen Siegeszug
in die Kühlregale halten, so wie
in den USA, wo bereits ein Viertel
oder mehr des Angebots
veganer Art ist. Ein Marktanteil
von 20 % für die Substitute
könnte sich bis 2025 auch in
Deutschland einstellen.
Die Marktchancen sind also
gegeben. Aber ob sie genutzt
werden können, hängt an einer
Reihe von Faktoren. Zunächst
an der Ausrichtung eines Milchverarbeiters
– für Hersteller
traditioneller, evtl. geschützter
Mopro dürfte es kaum einen
Weg in die vegane/vegetarische
Welt geben. Dazu kommt,
ob eine Molkerei über eine
starke Marke verfügt, die quasi
automatisch die Assoziation
mit Milch und nichts anderem
bewirkt. Andersartige Produkte
aus einem solchen Haus wären
einfach nicht glaubwürdig.
An sich können bestehende
Marken allenfalls verwendet
werden, wenn sie bereits eine
starke Verankerung im modernen
Lifestyle haben, was auf
die wenigsten Mopro-Marken
zutrifft. In vielen Fällen bleibt
also nur eine Neugründung, mit
allen bekannten Fährnissen.
Bei Genossenschaften ergibt
sich ein weiteres, gravierendes
Problem. Wie kann man es den
Milcherzeugern vermitteln, dass
die eigene Molkerei ihnen direkte
Konkurrenz macht? Ob das
Argument „wenn wir es nicht
machen, tun es andere“ in allen
Fällen zieht, ist fraglich. Denn
vor dem Markeintritt müssen
Investitionen in Produktentwicklung,
Technik, Verpackung
und Marketing erfolgen – die
wiederum von den bäuerlichen
Gremien genehmigt werden
müssen. Möglicherweise sind
die eGs nicht wirklich für die
alternativen Märkte prädestiniert.
An sich ist dies auch nicht
schlimm, denn die Basismärkte
und die für echte Mopro-Spezialitäten
werden ja auf Dauer
bleiben. Kaum ein Verbraucher
stellt komplett auf vegan um,
die meisten suchen einfach Abwechslung
oder wollen weniger
oft tierische Produkte verzehren.
Insofern muss einem nicht
bange werden, wenn Teile der
Milchindustrie auch das alternative
Feld beackern, meint
Roland Soßna.
ROLAND SOSSNA
REDAKTION