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wettbewerbswidrig beurteilt. Addiert man
noch hinzu, dass ein Händler seine Marken
Warengruppen-übergreifend einsetzen kann
(z. B. Bio, frei von …, vegan oder für regionale
Angebote) und auch keine Zugangsbarrieren
zu weiteren Warengruppen hat (Marke anmelden,
Lieferant suchen – los geht’s), ist
man versucht, das Wettbewerbsszenario im
LEH aus Herstellersicht düster zu zeichnen.
Umso wichtiger ist es für Nahrungsmittelhersteller,
die Profilierungsfelder ihrer eigenen
14 8 2019 | moproweb.de
Marken konsequent zu bespielen. Das
wichtigste Definitionskriterium für Markenartikel
ist neben der Qualitätskonstanz die
Ubiquität – Volldistribution ist Pflicht und
macht den entscheidenden Unterschied zu
den Marken des einzelnen Händlers. Selbst
eine Edeka kommt im Vollsortiment nicht
über einen Marktanteil von 15 Prozent in
Deutschland, während die Top-Markenartikel
heute Distributionswerte über 90 Prozent
aufweisen können. Daneben ist aber auch
das wachsende Feld der Out-of-Home- und
Impulskanäle ein Terrain, auf dem sich Food-
Marken positionieren müssen. Wenn sie ihre
Zielgruppen entlang der kompletten Customer
Journey eines Tages begleiten wollen,
müssen sie von der Bäckereifiliale am Morgen
über die Betriebskantine bis zum Tankstellenshop
auf dem Heimweg denken. Hier
kann der Handel mit seinen Angeboten nicht
mithalten. Die glaubwürdige und fokussierte
Besetzung EINES Konsumthemas wie z. B.
gesunde Erfrischung, ein Energiekick oder
der kleine persönliche Genussmoment und
die Einlösung dieses Versprechens über den
gesamten Tagesablauf eines Konsumenten –
das ist die Leistung der Industriemarke, die
aber mit aller Konsequenz umgesetzt werden
muss. Nicht nur in den eigenen Social-
Media-Kanälen, sondern ganz physisch in
Distribution, passenden Verpackungen und
attraktiven Preisen.
Vom klassischen
Unternehmer
bis zum Food Start-Up
Mit den Veränderungen in Handel und Markenlandschaft
für Nahrungsmittel haben
sich auch die Unternehmenstypen der Nahrungsmittelindustrie
weiterentwickelt. Der
einstmals dominante „klassische Unternehmer“,
der seine Konsumenten „kennt“ und
weiß, was sie erwarten, ist auf dem Rückzug,
aber keineswegs ausgestorben. Er agiert
aus Leidenschaft, entscheidet im Zweifelsfalle
selbst, welches Produkt gelauncht werden
soll, ist damit sehr schnell und trägt das
Risiko meist mit eigenem Geld.
Daraus entwickelten sich im Laufe der Zeit
professionelle Markenartikler im Mittelstand,
die sich mit einem Know-how-Transfer aus
den Großkonzernen Produktmanagement
und Markenführung aufgebaut haben, auf
geordnete Strukturen und Prozesse aufsetzen
und damit die Innovationsrate hoch und
die Floprate heruntergebracht haben. Dies
alles jedoch zu Lasten der Geschwindigkeit
und mit einem Hang zur bürokratischen
Selbstverwaltung. Den Markenvertretern in
hybriden Unternehmen ist es daher oft ein
Graus, wenn ihre Kollegen aus dem Handelsmarken
Management in einem Bruchteil der
Zeit Projekte der Handelspartner durch das
Haus peitschen. Ein gewisses Maß an Shopper
Insight und ein nicht immer ganz klarer Risiko
Shift zwischen Auftraggeber und Lieferant
ersetzen meist aufwendigere Marktforschung
und fördern die Lust am Experiment.