mi | Interview
massentauglichen Konzepte zur Marktreife
kommen, die auf selbstlernende, prädiktive
Algorithmen setzen.
mi: Sie sprachen das Thema individuelle
Stoffwechselreaktion an: Wie
sieht diese konkret aus?
Sina: Unsere Ernährung spielt eine wesentliche
Rolle bei der Entstehung von
Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2
oder Adipositas. Allerdings unterscheidet
sich das Erkrankungsrisiko von Mensch
zu Mensch. Lange Zeit sah man die genetische
Disposition als maßgeblich für diese
Varianz. Neue Erkenntnisse stellen allerdings
einen Zusammenhang zwischen der
Zusammensetzung des Darmmikrobioms
und metabolischer Gesundheit her. Sehr
gut dokumentiert ist die postprandiale
Glukoseantwort, also wie sich der Blutzuckerspiegel
nach einer Mahlzeit einpendelt.
Nach dem Verzehr der gleichen Lebensmittel
steigt dieser bei jedem Menschen unterschiedlich
stark an.
mi: Personalisierte Ernährung ist ein
Hauptforschungsprojekt von Ihnen:
Welche Erkenntnisse konnten Sie gewinnen?
Und wie können diese die Industrie
bei der Produktentwicklung
unterstützen?
Sina: Basierend auf den Daten von mehr
als 1.000 Teilnehmern haben wir ein Vorhersagemodell
für sogenannte Nutri-
Typen entwickelt. Das heißt, wir haben
Personen, deren Stoffwechsel sehr ähnlich
auf Lebensmittel reagiert, in Cluster
zusammengefasst. Für diese Cluster können
wir Vorschläge für eine sogenannte
„stratifizierte Ernährung“ unterbreiten,
die das jeweilige Erkrankungsrisiko berücksichtigt
und so gesundheitsfördernd
wirken kann.
Mit diesem Modell können Nahrungsmittelhersteller
Produkte kreieren, die
eine personalisierte Ernährungsempfehlung
bestens ergänzen und so helfen, den
eigenen Stoffwechsel zu optimieren oder
ungünstige Stoffwechselsituationen zu
vermeiden. Beispielsweise arbeiten wir
aktuell intensiv mit Lebensmittelproduzenten
zusammen: Wir wollen gemeinsam
bioaktive Lebensmittel entwickeln, mit
denen sich der Blutzucker langfristig reduzieren
lässt.
18 8 2019 | moproweb.de
NewtritionX
Was ist die Zukunft der Ernährung? Wie
können wir Wohlstandskrankheiten
langfristig bekämpfen? Und ist die Personalisierte
Ernährung bereit für die
Praxis? Das diskutieren Experten aus
Wissenschaft, Technologie und Lebensmitteindustrie
auf dem Innovationsgipfel
NewtritionX. am 6. Oktober in Köln.
Nach dem erfolgreichen Start der Veranstaltungsreihe
im vergangenen Jahr
fasst das Branchennetzwerk foodRegio
e.V. im Rahmen der Anuga in diesem
Jahr erneut die komplette Bandbreite
der Personalisierten Ernährung in einem
Event zusammen und bietet darüber hinaus
beste Gelegenheiten zum Netzwerken.
www.newtritionx.com
Ein Beispiel sind Produkte mit modifiziertem
Fett- oder Proteinanteil. In unseren
Studien zeigte sich, dass der Protein
und/oder Fettgehalt einer Mahlzeit die
postprandiale Blutzuckerantwort von 86
Prozent aller Probanden positiv beeinflusst
hat. Dies kann eine der Stellschrauben sein,
mit der Hersteller ihr Produktportfolio
wirtschaftlich verträglich anpassen und so
dem Kunden ein auf seine gesundheitlichen
Bedürfnisse optimal zugeschnittenes Produkt
anbieten können.
mi: Was heißt das speziell für den Bereich
Molkereiprodukte?
Sina: Ganz grundlegend sind Produkte hilfreich,
die die Darmgesundheit und die Vielfalt
der bakteriellen Mitbewohner fördern.
Denn nach der aktuellen Forschungslage
ist eine abnehmende Diversität des intestinalen
Mikrobioms ein entscheidender
Indikator vieler Erkrankungen. Das Ziel ist
demnach, unseren Darm nicht einseitig,
sondern möglichst vielfältig zu bevölkern.
Im Molkereisegment denke ich da an probiotische
Produkte, beispielsweise fermentierte
Lebensmittel wie Kefir, die personalisiert
eingesetzt werden können.
Aber wir müssen für die Personalisierte
Ernährung noch einen Schritt weiter gehen:
Denn das, was für den einen als gesund
gilt, muss für den anderen noch lange nicht
zutreffen. An die Stelle eines one-size-fitsit
all-Produkts tritt ein auf den Einzelnen
zugeschnittenes Superfood, das auf den
Nährstoffbedarf und den Stoffwechsel
eines Verbrauchers bzw. eines Verbraucherclusters
abgestimmt ist. Das kann der
Joghurt mit einer blutzuckerregulierenden
Zutat sein, oder das Fertigmüsli, das durch
einen hohen Eiweiß- oder Fettgehalt für
eine ausgeglichene postprandiale Glukoseantwort
sorgt.
mi: Warum sollte jeder seine Ernährung
individuell betrachten?
Sina: Um den pandemischen Ausmaßen
von Adipositas und anderen wohlstandsbedingten
Erkrankungen etwas entgegenzusetzen,
müssen wir neue Konzepte wagen.
Die Personalisierte Ernährung ist für mich
die konsequente Weiterentwicklung der
aktuellen wissenschaftlichen Datenlage
und die ideale Alternative zu herkömmlichen
Diätprogrammen, die bei nur etwa
15 Prozent der Teilnehmer langfristig zu
einer Gewichtsreduktion führen. Bereits
durch kleinere Anpassungen des eigenen
Speiseplans, nahe an den persönlichen Präferenzen,
kann ich eine stoffwechseloptimierte
Ernährung definieren, die nicht auf
Verzicht beruht und deshalb langfristige
Erfolge zeigt.
mopro
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