4 11 2020 | moproweb.de
Augen zu und durch
Prinzipien haben keine Gültigkeit mehr
Wird die kürzlich
erfolgte Entscheidung
des
Europäischen
Gerichtshofes, dass eine obligatorische
Herkunftskennzeichnung
von in Mopro verwendeten
Milch-Rohstoffen nur
in engem Rahmen zulässig ist,
wirklich etwas bewegen? Hieran
dürfen Zweifel angemeldet
werden. Aber der Reihe nach.
Wir erinnern uns: Der EuGH
hatte Ende September befunden,
dass Frankreichs Dekret
aus dem Jahr 2017 nur dann mit
der Europäischen Lebensmittelkennzeichungs
Verordnung
kompatibel ist, wenn ein enger
Zusammenhang zwischen Herkunft
und Qualität gegeben ist.
Seinerzeit hatten die Franzosen
unter Billigung der EU-Kommission
(…“auf wenige Jahre angelegter
Test“) eine Verpflichtung
eingeführt, Milch und Milchprodukte
auf dem Etikett mit
dem Ursprungsland der Milchzutaten
zu kennzeichnen. Die
französische Regierung reagierte
damit auf Forderungen
ihrer (dauerempörten) Milcherzeuger,
die sich von einer
solchen Regelung Vorteile für
inländische Ware erhofften. In
der Folge fühlten sich weitere
Länder (Italien, Spanien, Griechenland,
Portugal, Litauen,
Finnland, Rumänien) ermutigt,
ähnliche Kennzeichnungsvormi
| mi-Meinung
schriften zu erlassen. Ob und in
welchem Maß diese Regelungen
den jeweils inländischen Milchlieferanten
wirklich geholfen
haben, lässt sich nicht ermitteln
bzw. belegen.
Dass Molkereien in den besagten
Ländern, die vorwiegend
nur heimischen Rohstoff
verarbeiten, kaum Anlass zur
Beschwerde sahen, ist nachvollziehbar.
Multinational aufgestellten
Milchverarbeitern
bereitete die teilweise Außerkraftsetzung
des Binnenmarktprinzips
jedoch von Anfang an
Sorgen. Lactalis, ein urfranzösisches
Unternehmen, zog in der
Folge vor Gericht und hat nun
vom EuGH Recht bekommen. So
weit, so gut.
Mit dem Spruch der Luxemburger
Richter sind die eine
Herkunftskennzeichnung vorschreibenden
Verordnungen in
o.g. Ländern keineswegs außer
Kraft gesetzt. Vielmehr müsste
in jedem einzelnen Land
separat geklagt werden, oder
aber der dortige Gesetzgeber
würde von sich aus tätig. Einen
solchen vorauseilenden Gehorsam
gegenüber europäischer
Rechtsetzung findet man jedoch
in keinem EU-Land, nicht
einmal in Deutschland. Von daher
bedürfte es eines eindeutigen
Signals der EU-Kommission,
dass sie den Binnenmarkt im
Zweifelsfall auch durchzuset-
ROLAND SOSSNA
REDAKTION
zen gedenkt. Leider aber ist die
Brüsseler Behörde mit anderem
beschäftigt, denn sie muss
die Farm-to-Fork-Strategie auf
Biegen und Brechen durchpeitschen.
Und in dieser steht, dass
bis Ende 2022 eine Ausdehnung
der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung
der Zutaten
von Lebensmitteln eingeführt
werden soll. Also genau das Gegenteil
dessen, was der EU-Binnenmarkt
mit der generellen
Verkehrsfähigkeit von Erzeugnissen
und dem freien Warenverkehr
im EU-Raum vorsieht.
Was wir erleben, ist nichts
anderes als eine stillschweigende
Erosion des Grundgedankens
der Staatengemeinschaft
zugunsten abstruser Regelungen,
alles unter dem Zeichen
eines irgendwie gearteten,
nicht definierten und völlig ungeordneten
Nachhaltigkeitsdiktats.
Offenbar hat Brüssel es
aufgegeben, sich als oberster
(und einziger) Hüter des Binnenmarktes
zu verstehen, der
Behördenmoloch an der Rue de
la Loi scheint in seinem Streben
nach „Klimaneutralität“ bereit,
selbst die heiligsten Prinzipien
der EU-Väter über Bord zu werfen.
Was es den EU-Bürgern
nützt, wenn weltweit einzig
nur die Gemeinschaft eines Tages
klimaneutral ist, daran wird
kein Gedanke verschwendet,
erkennt Roland Sossna.
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