Page 39

molkerei-industrie_03_2016

Abbildung 6: Ziele der Ernährung 4.0 Gegenbewegung die Suche nach Regionalität ins Bewusstsein gerückt. Lebensmittel sollen auf kurzem Weg, d. h. letztlich aus der Region, in den Verkauf gelangen. Der Handel hat diesen Trend aufgegriffen und bietet zunehmend regionale Produkte an. Insbesondere bei Frische-Produkten wie Milch, Fleisch, Obst oder Gemüse werden der Herkunftsort und die Nachverfolgbarkeit immer wichtiger. In dem Zusammenhang gewinnen auch Lebensmittel mit g.g.A-. oder g.U-Angaben (geschütze geographische Angabe bzw. geschützte Ursprungsbezeichnung) zunehmend an Bedeutung. Problematisch ist derzeit noch die fehlende Definition des Begriffes regional. Ernährung 4.0 Die Evolution der menschlichen Ernährung begann vor Millionen vor Jahren mit Jagen und Sammeln (Ernährung 1.0). In dieser Steinzeitphase lernte sich der Mensch weltweit durchzusetzen, bis vor etwa 10.000 Jahren die Phase des Ackerbauers und Viehzüchters begann (Ernährung 2.0). Wer in der Lage war, Milch und frühe Milchprodukte zu verzehren, besaß einen großen Überlebensvorteil. Die Milch wurde so zu einem der wichtigsten Kulturträger. Vor rund 150 Jahren sorgte die erste industrielle Revolution auch für eine Kulturrevolution in der Ernährung. Die Arbeit fern der Wohnung erforderte immer mehr zubereitete Lebensmittel, die von einer rasch wachsenden Lebensmittelindustrie hergestellt wurden. Diese Ernährung der Moderne (Ernährung 3.0) mit zubereiteten Lebensmitteln der zweiten Verarbeitungsstufe ist dominiert durch Massenproduktion, Massentierhaltung, geringe Bio-Diversität, extreme Vielfalt an Lebensmitteln (ca. 150.000 unterschiedliche), praktisch 100prozentige Versorgungssicherheit, hohen technologischen und Sicherheits-Standards mit großer Rohkost Nur Rohkost Free from Allergiker (Nüsse, Laktose, Gluten, Nickel) Clean Label Unverpackte Lebensmittel Low Carb Paläo Fructarisch Fast Food Flexitarisch Frische Produkte Vegetarisch (Lacto-Ovo; Pesce) Ready to cook Zubereitete Lebensmittel Ethnic Food (koscher, halal) Unreflektierter Konsument Vielfalt an Behandlungsmitteln und Behandlungstechniken, aber auch einer nicht tolerierbaren Lebensmittelverschwendung. Rund ein Drittel der weltweit auf dem Acker erzeugten Lebensmittel verdirbt auf dem Weg in den Magen (FAO 2013). Kritik an der derzeitigen Ernährung ist auch eine Kulturkritik an der Moderne, mit deren Konsequenzen viele Menschen nicht mehr bereit zu leben sind. Dazu gehören die Entfremdung des Menschen von der Natur und ihren Ressourcen, aber auch vor einem extremen Landverbrauch, der Überdüngung und Eutrophierung oder der Umweltverschmutzung allgemein. Der gesellschaftliche Wandel bringt es aber auch mit sich, dass immer weniger Menschen selber kochen und sich außer Haus ernähren. Derzeit liegt der Prozentsatz derer, die praktisch nie kochen, bei rund 42 Prozent. Gleichzeitig ist das Volumen der Außer-Haus-Ernährung auf über 71 Milliarden Euro gestiegen und wird als Megatrend weiter wachsen. Der Verbraucher ernährt sich demnach immer mehr mit zubereiteten, industriell hergestellten Lebensmitteln (Convenience; „ready-to-cook“) (GfK Consumers Choice ‘15). In dieser Phase der Massenverpflegung mit ihren normierten Produkten wird eine Gegenbewegung immer deutlicher sichtbar. Diese nicht konventionelle Art der Ernährung kann als Ernährung 4.0 bezeichnet werden. Sie versucht, Elemente der früheren Ernährungsweise mit einer Individualisierung und Diversifizierung innerhalb einer globalisierten, industriell begründeten Ernährung zu verknüpfen (Abbildung 5). Die menschliche Ernährung wird so insgesamt immer pluralistischer und bewegt sich zwischen den divergierenden Polen. Die Ernährung 4.0 erfordert bewusste Verbraucher, die bereit sind, Zeit und Kapital einzusetzen. Sie werden nur eine kleine Auswahl des möglichen Lebensmittelangebots wahrnehmen, das in den letzten Jahren in Regional, Biostandard, frei von, saisonal, frisch; Physikalische Konservierungsmethoden (Erhitzen, Fermentation, Trocknen); Pökeln Selbsversorgung; Wieder zunehmende Biodiversität Ethnische, ethische und durch Gesundheitsaspekte getriebene Ernährung Glykämischer Index <30 (40) Relation physiologischer/physikalischer Brennwert <1 Vegan Abbildung 7: Lebensmittelkategorien und Ernährungsformen mit beispielhaften Verknüpfungen 3 2016 | moproweb.de 39


molkerei-industrie_03_2016
To see the actual publication please follow the link above