7 2020 | moproweb.de 11
mi: In 2019 haben sie gleich vier Akquisitionen
getätigt. Kaufen Sie alles auf, was auf
dem Markt ist?
Bingler: Die GUS ging 2016 aus einem MBO
Management Buyout mit Beteiligung eines
Finanzinvestors gestärkt an den Markt. Wir
betrachten uns weiter als Spezialanbieter
für die Prozessindustrie, vor allem in den
Bereichen Chemie, Pharma, Medizintechnik,
Kosmetik, Handel und Lebensmittel/
Getränkeindustrie. Aber wir runden unser
Angebot immer weiter ab, um unseren Kunden
Mehrwert bieten zu können. Dabei profitieren
wir gleichermaßen wie die Kunden
davon, dass die in den von uns akquirierten
Unternehmen entwickelten Branchenlösungen
für weitere Kundenkreise verfügbar
werden. ERP ist unser Kerninhalt, über
neue Produkte und Lösungen wollen wir zu
einem Vollsortimenter für den gesamten
Geschäftszyklus unserer Kunden werden.
mi: Sprechen wir für einen Moment nur von
SOPRA, ein Unternehmen, das die meisten
unserer Leser kennen. Was genau haben Sie
mit dem Ismaninger Spezialisten vor?
Bingler: Wir hatten auch schon vor der
Integration von SOPRA Geschäfte mit
der Milchindustrie, wenn auch nicht mit
so ausgeprägter Expertise. SOPRA, zum
Jahreswechsel 2019/20 in SOPRA System
umbenannt, hat seine Stärken bei EVS Erzeugerverrechnungssystem,
HR Personalwesen,
ERP sowie im Hosting und bildet nun
das Kompetenzzentrum innerhalb der GUS,
wenn es um Fragen der Milchverarbeitung
geht. Der Markenkern des Unternehmens
Dirk Bingler, Geschäftsführer GUS Group:
Wir setzen auf hybride, webzentrierte
Lösungen (Foto: GUS Group)
bleibt erhalten, die ca. 30 Beschäftigten inkl.
der Niederlassung in Leipzig arbeiten eng
mit den Kollegen aus der GUS zusammen.
mi: Gilt die Kontinuität auch für den Standort
Ismaning?
Bingler: Die GUS Group beschäftigt ca.
380 Mitarbeiter an 13 Standorten, die in
fünf Metropolregionen im DACH-Raum
liegen. Wir wollen keinesfalls Standorte
verlagern oder schließen, denn so bleiben
wir flexibel für die Kunden wie auch bei der
Rekrutierung neuer Mitarbeiter.
mi: Sie erwähnten gerade Hosting als Kompetenzbereich
von SOPRA. Da stellt sich
doch gleich die Frage nach Cloudlösungen.
Bingler: SOPRA war tatsächlich einer der
Vorreiter in Deutschland für Cloudlösungen.
Nur nannte man das damals Managed
Hosting. Unsere Kunden, bei der GUS wie
bei SOPRA, sind meistens Mittelständler mit
eigener IT. Sie legen ungern sensible Daten
wie Rezepturen oder Einkaufskonditionen
in einer Cloud ab. Dies respektieren wir und
setzen auf hybride, webzentrierte Lösungen.
Das bedeutet, dass unsere ERP-Lösung
sowohl direkt vor Ort als auch in einer Cloud
laufen kann. Einzelne ausgewählte Funktionen
kann der Kunde aber herauslösen und
über eine Cloud digital mit anderen, z. B. mit
Kunden oder Außendienstlern, vernetzen.
Damit bekommt er Flexibilität, Sicherheit
und insgesamt das Beste aus zwei Welten.
mi: Alle Welt redet über Künstliche Intelligenz.
Ist diese auch bei Ihnen ein Thema?
Bingler: Neben meiner Rolle als CEO der
GUS bin ich seit über sechs Jahren Vorstand
des Arbeitskreises ERP bei Bitkom.
Wir beschäftigen uns dort aktiv mit der
Auswirkung von KI auf ERP-Systeme. KI ist
aktuell ein medial stark gehyptes Thema,
obwohl es technisch überhaupt nicht neu
ist. Ansätze für maschinelles Lernen gab es
schon in den 1970er Jahren, nur haben wir
heute eben auch die nötigen Rechenkapazitäten
und die notwendigen Datenmengen
für das Training der Modelle.
Auch für uns ist KI ein Thema. In unseren
ERP-Systemen sind viele gut strukturierte
Unternehmensdaten gespeichert.
Über unsere Workflow-Engine protokollieren
wir Daten zu vielen verschiedenen
Geschäftsprozessen. Verknüpft mit externen
Informationen lassen sich mit Hilfe
von maschinellem Lernen so zum Beispiel
Entscheidungsmodelle zur stärkeren Automatisierung
von Prozessen generieren.
KI ist aber keine Out-of-the-box-Lösung,
die man einschaltet und dann sofort nutzen
kann. Vielmehr muss die KI immer mit
den Daten des jeweiligen Unternehmens
trainiert werden. Dazu ist eine hinreichend
große Menge an Datensätzen erfolgsentscheidend.
Ein Anwenderunternehmen, das
vielleicht nur 100 große Aufträge im Jahr
abwickelt, wird mit KI wahrscheinlich seine
Absatzprognose nicht verbessern können.
Ob und wo ein Mehrwert von KI-Lösungen
vorliegt, muss man also immer im Einzelfall
prüfen. Es kommt auf die richtigen
Szenarien an.
mi: Welche Trends sehen Sie, welche die
IT und die Milchindustrie gleichermaßen in
Zukunft prägen werden?
Bingler: Der Haupttrend ist ganz klar die
Digitalisierung. Für Nachhaltigkeit, Qualitätsmanagement
und Tierwohl können nur
digitale Ansätze die nötige Transparenz
schaffen und zugleich Prozesse effizienter
machen. Unsere Aufgabe ist es, unsere
Kunden so mit IT auszurüsten, dass sie die
Anforderungen aus diesen Trends bewältigen
können. Genau deswegen runden wir
unser Portfolio auch fortlaufend ab.
SOPRA System ist innerhalb der GUS Group
der IT-Spezialist für die Milchwirtschaft
(Foto: GUS Group/iStockphoto.com)
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