Auch auf der 43. Tagung des Wissenschaftlichen Beirats des MIV wurde eifrig diskutiert
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(im Bild Ulrich Kraut, Edelweiss) (Foto: mi)
zusammen. Der komplette Tagungsbericht
steht seit dem 22. November 2017 auf moproweb.
de, Rubrik Service/Downloads zur
Verfügung.
Beziehung zwischen
Milcherzeugern und
Molkereien
Prof. Sebastian Hess, der an der Universität
Kiel die MIV-Stiftungsprofessur für Ökonomie
der Milch- und Ernährungswirtschaft
inne hat, schilderte Folgerungen aus einer
Umfrage unter Landwirten, die insgesamt
quer über das Bundesgebiet 1,16 Mrd. kg
Milch erfasste. Laut Hess wachsen die großen
Erzeugerbetriebe trotz aller Milchkrisen,
aktuell produzieren 5 % der Höfe etwa
30 % der Milch in Deutschland.
Die Milcherzeuger verlangen überwiegend
nach Liefersicherheit, sagte Hess. Je
nach Region besteht bei den Bauern ein
ausgeprägtes Interesse an Festpreisverträgen,
wobei Vertragskomponenten wie freie
Handelbarkeit von Teilmengen oder Festpreis
für Teilmengen und variable Preise für
am Spotmarkt abgesetzte Mengen von den
Molkereien ggf. dotiert werden müssten,
sollten sie Akzeptanz bei den Bauern finden.
Je nach Region unterscheidet sich auch
das Interesse der Erzeuger an kürzeren Kündigungsfristen:
in Nord/Westdeutschland
sowie im Osten sind über 40 % der Bauern
für eine kürzere Bindung, in Bayern sind es
dagegen nur 28 %. Gründe für einen Molkereiwechsel
liegen lt. Hess oft in unbefriedigender
Kommunikation der Molkereien und
Vertrauensmangel in das Management von
Molkereien.
In der Diskussion wies Hess darauf hin,
dass durchaus die Gefahr besteht, dass
große Erzeugerbetriebe speziell die Genossenschaften
verlassen. Ab 500 Kühen fällt
täglich ein Tankzug an, der in Eigenregie
vermarktet oder an eine entfernter liegende
Molkerei abgegeben werden könnte. In
einer Genossenschaft werden die Risiken
stark wachsender Lieferbetriebe gerade
in Milchpreistiefphasen vergesellschaftet,
da alle Lieferanten gleichermaßen von den
dann schwachen Erlösen im Spotmarkt betroffen
sind, erklärte Hess.
Vertragliche Regelungen können im Übrigen
die vom Weltmarkt ausgehende Preisvolatilität
im deutschen oder europäischen
Markt nicht auffangen, sagte Hess. Die
Politik sollte Abschied von der Vorstellung
nehmen, dass sie mit kürzeren Kündigungs-
Sebastian Hess, MIV-Stiftungsprofessur
für Ökonomie der Milch- und Ernährungswirtschaft
an der Uni Kiel: Es besteht
die Gefahr, dass große Erzeugerbetriebe
speziell die Genossenschaften
verlassen (Foto: mi)
Prof. Heike Karbstein, KIT: Die Extrusionstechnologie
könnte eine große Zukunft
auch für die Milchindustrie haben, speziell
bei der Käseherstellung (Foto: mi)
fristen und Festpreis/Mengenregelungen
in den Verträgen schützen kann. Letzteres
würde den kleinen Betrieben nur zusätzliche
Nachteile bringen, Kleinerzeuger
bräuchten vielmehr Sicherheit.
Extrusionstechnologie
Die Extrusionstechnologie könnte eine
große Zukunft auch für die Milchindustrie
haben, speziell bei der Käseherstellung.
Prof. Heike Karbstein, Institut für Bio- und
Lebensmitteltechnik am Karlsruhe Institut
für Technologie (KIT), beschrieb laufende
Arbeiten, die u. a. auf eine Extrusion von
Proteinen zielen. Hohe Scherkräfte und
Temperaturen im Extruder wirken sich negativ
auf Proteine aus, z. B. durch Veränderung
der Molekularstrukturen. Um die Belastung
von Produkten genau erfassen und
abschätzen zu können, wurde am KIT ein
Modell entwickelt, das die für jedes Partikel
zu erwartenden Prozessbedingungen an
jeder Stelle im Extruder beschreibt (Particle
Tracking). Zur Datenerhebung wird eine
ganze Batterie an Messgeräten eingesetzt,
darunter hochauflösende online-Analytik,
inline- und offline-Rheometrie und Simulation.
Im Endeffekt kann ein thermo-mechanisches
Stressprofil für die zu extrudierenden
Produkte berechnet werden. Weitere
Arbeiten führt KIT zusammen mit der TU
München durch (Institut Prof. Kulozik).