10 2021 | moproweb.de 13
In Deutschland sind 2021 neue Gesetze mit Bezug zu Verpackungen
veröffentlicht worden, auch mit Auswirkungen auf
Verpackungen für Milchprodukte, insbesondere bei Verwendung
von Kunststoff.
Mit dem geänderten Verpackungsgesetz, einem Verbot und einer
verpflichtenden Kennzeichnung sind die deutschen Rahmenbedingungen
an die Vorgaben der EU-Einwegkunststoffrichtline (Single-
Use-Plastics, SUP Directive) angepasst worden. Durch die drei Regularien
(siehe Grafik) werden
• bestimmte Getränkebecher verboten,
• Verschlüsse dauerhaft mit der Verpackung verbunden sein,
• Kunststoffprodukte gekennzeichnet sein,
• die Produkte einen Anteil an Rezyklaten enthalten und
• bestenfalls nicht als Einweg-, sondern Mehrwegprodukt
daherkommen oder – falls doch Einweg – in ein Pfandsystem
laufen.
So müssen auch Milch und Milchmischgetränke in Einwegkunststoffgetränkeflaschen
ab 2024 in das Pfandsystem integriert sein.
Dieselben Getränke in Dosen müssen das schon ab 2022. Für Säfte
gilt die Pfandpflicht ebenfalls bereits ab 2022 und einige Abfüller
steigen jetzt in das Pfandsystem ein. Über die Regularien ist lange
diskutiert worden und zahlreiche Akteure, wie der MIV, hatten in
Stellungnahmen ihre Bedenken geäußert.
Die Reglementierungen sollen helfen, die Umweltverschmutzung
durch Kunststoff zu verringern. Damit ein jeder seine Produkte zuordnen
kann, hat die Kommission Leitlinien zur SUP-Richtlinie veröffentlicht.
Um ein Jahr verspätet, und im Vergleich zum ersten
öffentlichen Entwurf derart eingekürzt, dass auch beim aufmerksamen
Lesen am Ende Fragen offenbleiben. Beispielsweise ist nicht
hinreichend geklärt, ob ein Joghurtbecher, der mit einem Getränk,
sagen wir Buttermilch, befüllt ist, automatisch ein Getränkebecher
ist. Die SUP bezieht sich eigentlich auf Produkte aus dem ToGo-
Bereich oder Partygeschirr. Die zahlreichen Beispiele aus dem ursprünglichen
Entwurf sind größtenteils gestrichen worden und Definitionen
äußerst rudimentär gehalten (Einweg = nicht Mehrweg).
Ein jeder macht es, wie er denkt
Maßnahmen für den Umweltschutz werden grundsätzlich auch in
der Wirtschaft begrüßt, insbesondere dann, wenn es eine einheitliche
Regelung gibt, ohne dass Wettbewerbsnach- oder -vorteile geschaffen
werden. Daher ist es auch zu begrüßen, dass das Thema
Umweltschutz von der EU-Kommission entsprechend mitbestimmt
wird. Es ist auch zu begrüßen, dass rechtliche Vorgaben der EU
einen Spielraum für die nationale Umsetzung lassen. Allerdings ist
es die Aufgabe der Kommission darauf zu achten, dass – bei aller
Freiheit in der Umsetzung – das Ziel in allen Mitgliedstaaten einheitlich
bleibt. Die Mitgliedstaaten setzen derzeit ihre individuellen
Vorstellungen der Kennzeichnung von Verpackungen um, wodurch
sich ein neuer farbenfroher Flickenteppich in der EU entwickeln
könnte mit entsprechenden Problemen im Binnenverkehr. Was in
dem einen Staat eine Kann-Bedingung ist, ist in dem anderen Staat
vorgeschrieben.
Die Schildkröte soll die Umweltverschmutzung
verringern
Überraschend ist bei all den neuen Regelungen, dass der Verbraucher
vollständig außen vorgelassen wird. Es irritiert, wenn Berichterstatter
der Parteien in Anhörungen des Bundestages ernsthaft
die Leistungsfähigkeit von uns Verbrauchern am Limit sehen. Die
Frage, was der Verbraucher noch alles leisten soll, kann so einfach
wie vorhersehbar beantwortet werden: Benutzt die Mülleimer und
das nicht nur zu Hause! Auch im öffentlichen Raum besteht keine
Notwendigkeit, den Müll achtlos wegzuwerfen. Wobei das Wort
achtlos nicht frei gewählt ist, sondern aus dem Regelwerk der EU
(SUP) stammt. Herstellern/Inverkehrbringern wird jetzt die Verantwortung
für das Fehlverhalten der Konsumenten zugeschrieben,
weshalb eine Beteiligung an den Kosten der Reinigung des öffentlichen
Raumes erwartet wird (erweiterte Herstellerverantwortung/
Littering-Kosten). Aktuell ist das ein dreistelliger Millionenbetrag,
der durch die Hersteller/Inverkehrbringer von entsprechenden
Verpackungen aufgebracht werden soll. Warum aber das Verursacherprinzip
nicht angewendet wird, bleibt fraglich. Andere Länder
machen es vor: Wer seinen Müll – der Kaugummi reicht – nicht entsprechend
entsorgt, wird zur Kasse gebeten.
Es bleibt die Frage, ob noch ein Zeichen mehr auf Produkten, die
Kunststoff enthalten (Getränkebecher) oder aus Kunststoff sind,
tatsächlich den gewünschten Lerneffekt haben wird. Wird durch
die aufgedruckte nette Schildkröte der Nutzer wirklich in sich gehen
und aus Rücksicht auf die Umwelt zu dem Schluss kommen,
dass der Becher oder die Kunststoffflasche besser nicht ins Gebüsch
geworfen werden sollte? Parkanlagen voll grübelnder Menschen
wie der Denker von Auguste Rodin? Abgesehen davon, dass
es auch seinen Mitmenschen gegenüber ausgesprochen unfair ist,
seinen Abfall nicht im Mülleimer zu entsorgen. Ein Stadtpark wird
noch allzu oft als Partyzone angesehen, wo nur die wenigsten über
praktizierten Umweltschutz durch Müllentsorgung nachdenken.
Warum auch, es wird ja jemand anders zur Kasse gebeten.
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