Auch der Stand der Verhandlungen der EU über Freihandelsabkommen, speziell über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP, war für den Milchindustrie-Verband (MIV) Thema auf der Jahrestagung am 17. Oktober in Hamburg. molkerei-industrie fasst die Ausführungen von Monique Pariat, stellv. Generaldirektorin für internationale Angelegenheiten bei der GD AGRI der EU-Kommission zusammen.
Das Russland-Embargo, so Pariat, war ein regelrechter Weckruf: die EU hat zumindest zeitweise einen Handelspartner verloren, der ein Drittel ihrer Käse- und Butterausfuhren aufgenommen hat. Die EU muss künftig vermeiden, dass sie zu abhängig von nur einem Exportmarkt wird und ihre Ausfuhrdestinationen diversifizieren. Daher handelt Brüssel bilaterale Abkommen mit einer Reihe von Staaten aus.
Als Märkte mit dem größten Wachstumspotenzial hat Brüssel Asien, speziell China, ausgemacht. Mit dem Auslaufen der Quote könne die EU den dortigen Markt noch besser angehen – gegenseitige Investitionen und Übernahmen machten deutlich, wie sich die Branche auf mehr Präsenz in China einstimmt. Die Kommission verhandelt aber auch mit Japan, Thailand, Vietnam, Malaysia, Singapur und India; in allen diesen Gesprächen spielen Mopro eine wichtige Rolle, erklärte Pariat.
In Japan, einem Wachstumsmarkt v.a. für hochwertige Mopro, könne die EU nur gewinnen: hier herrschen hohe Grenzbarrieren, die EU will ihre Interessen offensiv vertreten und hat im Gegenzug beim Import aus Japan wenig zu verteidigen.
Über Asien sollte nicht das Potenzial in Afrika vergessen werden. Dort entwickelt sich die am schnellsten wachsende Mittelschicht weltweit, europäische Moproexporte nach Afrika haben in den letzten zehn Jahren um 75% zugelegt. Speziell die Regionen unterhalb der Sahara werden zu dem zweitgrößten Wachstumsmarkt nach Asien. In den afrikanischen Ländern mit hohem Zollschutz würden sich Chancen über Public Private Partnerships oder über Investitionen in lokale Wertschöpfungsketten auftun, so die Kommissionsbeamtin.
Mit Kanada wurde bereits das erste der Reihe dieser Free Trade Agreements (FTA) abgeschlossen. Für Mopro kam dabei heraus, dass die EU nun 18.500 t Käse zollfrei zusätzlich zu der über WTO vereinbarten Quote von 13.500 t in Kanada verkaufen kann.
TTIP
TTIP stellt das ambitionierteste und umfassendste FTA dar, das es jemals gegeben hat, so Pariat. Das FTA wird 50% des weltweiten Handels umfassen, der tägliche Umsatz im Geschäft zwischen den USA und der EU liegt bei 2 Mrd. €.
Die Landwirtschaft spielt bei TTIP eine zentrale Rolle und ist daher für die EU von überragender Bedeutung, was auch das Europaparlament so sieht. Die EU will ein ausbalanciertes Ergebnis erreichen, sagte Pariat. Da der Grenzschutz der EU höher ist als der der USA haben die Vereinigten Staaten auch mehr zu gewinnen als Europa. Die Handelsbilanz weist schin heute einen Überschuss von 5,6 Mrd. € für die EU aus. Entsprechend hoch liegen die Erwartungen der Amerikaner. Allerdings liegt der Zoll für Mopro in den USA bei über 20%, so dass sich hier auch neue Absatzkanäle für EU-Ware auftun können.
Bei Käse bilden die USA einen bedeutenden Markt für europäische Erzeugnisse. Aktuell wird hier ein Exportumsatz von 700 Mio. € erreicht – dieser kann allerdings aufgrund von Einfuhrbestimmungen nicht problemlos ausgeweitet werden. Hier will Brüssel in jd. Fall Fortschritte erreichen.
Die Farm Bill (US-Agrarmarktordnung) habe sich zu einem Instrument entwickelt, das die Agrareinkommen steuert und sei daher ein klares Handelshemmnis. Welche Vorteile beide Handelspartner erreichen können, hängt lt. Pariat von drei Faktoren ab: Abschaffung der Zölle im Milchbereich, Abschaffung nicht-tarifärer Barrieren (Nichtanerkennung der EU-Qualitätstandards, Abgabe auf Importware für generische Absatzwerbung, Importlizenzgebühren, die freiwillige Selbsthilfeeinrichtung Cooperatives Working Together ..) und dem von der EU angestrebten Schutz für geographische Bezeichnungen (den man aber lt. Pariat auch nicht überdramatisieren sollte).
Ein Abschluss der TTIP-Gespräche ist nicht unmittelbar zu erwarten, der neue Kommissionspräsident Juncker hat als Ziel Ende 2015 ausgegeben.
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