Wer Lebensmittel verpackt, trägt die Verantwortung dafür, dass die aus der Verpackung übergehenden Stoffe gesundheitlich unbedenklich sind. Der Gesetzgeber fordert einen Nachweis, dass die eingesetzten Lebensmittelkontaktmaterialien (z.B. Verpackungsmaterialien) mit geltenden lebensmittelrechtlichen Vorschriften konform bzw. in erster Linie sicher sind. Was Hersteller bei der Konformitätsarbeit beachten sollten, erklärte die Akademie Fresenius in ihrem Intensivseminar “Konformitätsarbeit für Lebensmittelverpackungen”, das erstmals vom 30. September bis 1. Oktober 2014 in Köln stattfand.
Nie ungeprüft unterschreiben
Laut der Rahmenverordnung (EG) Nr. 1935/2004 sind Materialien und Gegenstände so herzustellen, dass sie keine Bestandteile auf Lebensmittel in Mengen abgeben, die geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu gefährden. Die Abgabe von Konformitätserklärungen in schriftlicher Form ist dabei derzeit für einige, jedoch nicht für alle Materialien verpflichtend. Für Karton und Papier seien sie beispielsweise (noch) nicht erforderlich, erklärte Dr. Stefanie Hartwig (Zenk Rechtsanwälte). Dies ändere aber nichts an der Forderung, dass die Unbedenklichkeit aller Materialien stets gewährleistet sein müsse. Der Einsatz von Qualitätssicherungs- und -kontrollsystemen sowie die Dokumentation der Produktionsprozesse sei daher immer Pflicht. Die Rückverfolgbarkeit aller Materialien müsse gegeben sein, unterstrich die Expertin. Wer eine Konformitätserklärung abgegeben habe, sei in vielen Fällen haftbar, wenn es zu Bußgeld- bzw. Strafverfahren komme, warnte sie. Eine umfassende Abstimmung und Information zwischen den einzelnen Gliedern der Lieferkette könne helfen, derartige Haftungsrisiken zu vermeiden. Zudem sei es wichtig, Konformitätserklärungen oder Spezifikationen niemals ungeprüft zu unterschreiben und nur das zuzusichern, was man tatsächlich zusagen könne. Hartwig riet dazu, möglichst keine Garantieerklärungen abzugeben, da diese eine sehr weitgehende Haftung begründen. Ebenso wies sie auf das Prinzip der “spiegelbildlichen Zusagen” hin, nach dem nur das gegenüber Kunden erklärt werden sollte, was der eigene Lieferant auch zugesagt habe.
Verantwortung in der Kette
Zur Verantwortung in der Herstellerkette äußerte sich auch Dr. Konrad Grob (Kantonales Labor Zürich). Jeder in der Herstellerkette, der eine Substanz in ein Lebensmittelkontaktmaterial einbringe, sei für deren Migration ins Lebensmittel primär verantwortlich. Dies gelte auch für Verunreinigungen und mögliche Reaktionsprodukte. Mit Ausnahme der letzten Stufe sei es jedoch möglich, die Verantwortung zu delegieren, indem die Konformitätsarbeit mit spezifischer Anweisung an den Kunden weitergegeben werde. Mit einer Konformitätserklärung übernehme man die Verantwortung für alles, was nicht ausdrücklich delegiert werde, so Grob.
Positivlisten
Verpackungsmaterialien stellen vermutlich die größte Quelle von Lebensmittelverunreinigungen mit Chemikalien dar – ca. 100 – 1000 Mal größer als Pestizidrückstände in konventionell erzeugten Lebensmitteln. Die Kontrolle muss dafür sorgen, dass die Konsumenten Vertrauen in die Sicherheit haben können. Ein wichtiges Hilfsmittel zur Vereinfachung der Konformitätsarbeit sind Positivlisten, auf denen die Substanzen aufgeführt sind, die von den Behörden bereits abgesichert und autorisiert wurden. Die Listen sind dabei spezifisch für ein bestimmtes Lebensmittelkontaktmaterial (FCM), z.B. Kunststoffe, sowie einen bestimmten Einsatzzweck (z.B. Monomere, Additive). Es existieren sowohl Listen auf EU-Ebene, als auch nationale, die allerdings im Prinzip nur im eigenen Staat Gültigkeit besitzen. Für Deutschland sind diese beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) als “BfR-Empfehlungen” zu finden. Diese befassen sich mit Stoffen, die nicht seitens der EU geregelt sind. Obgleich nur “Empfehlungen”, seien die Informationen des BfR hinreichend für einen Konformitätsnachweis. Die Einschränkungen sind auf technische Unvermeidbarkeit abgestützt und sind zumeist weit unter der toxikologischen Bedenklichkeit, erläuterte Grob. Teilweise seien die Bewertungen des Instituts jedoch alt, was auch auf andere Listen in Europa zutreffe. Für die Autorisierung ist eine experimentelle Untersuchung notwendig, bis zu welcher Menge ein Stoff als gesundheitlich unbedenklich gelten kann.
Diese Daten sind prinzipiell unabhängig vom jeweiligen FCM, betonte Grob, weil die Berechnung auf der vorsichtigen Annahme basieren, dass ein großer Teil der täglich verzehrten Lebensmittel damit belastet sein könnten.
Bald TTC als Relevanzschwelle bei FCMs?
Für viele FCM existieren keine spezifischen Regelungen, d.h. keine autorisierte Unterstützung, nach der Konformität nachgewiesen werden kann. Die Industrieverbände haben Anfang der 2000er Jahre weitere Regelungen abgelehnt, mit der Versicherung, dass sie die Arbeit selber übernähmen. Die Hersteller müssen für für mehrere 10.000 migrierende Stoffe die Konformität bzw. Sicherheit selber überprüfen und den Nachweis dokumentieren. Die dazu verwendeten Methoden müssen allgemein anerkannten wissenschaftlichen Prinzipien genügen. In diesem Zusammenhang sei die Frage wichtig, bis zu welcher Migration welche Absicherungsmethoden ausreichend seien, fuhr Grob fort. Man geht davon aus, dass die toxische Wirkung mit der Konzentration im Lebensmittel sinkt und in den meisten Fällen eine Schwelle erreicht, bei der sie vernachlässigbar wird. Konzepte homöopathischer Wirkung finden keine Berücksichtigung. Früher war die analytische Nachweisgrenze limitierend. Derzeit werde seitens der EFSA die Anwendung des TTC-Konzepts (threshold of toxicological concern) für FCM diskutiert, so der Experte. Dazu werden statistisch Werte abgeleitet, bei denen mindestens 95 Prozent bekannt toxische Stoffe keine relevante Wirkung mehr zeigen. Schwellenwerte werden für gentoxische Kanzerogene sowie für drei Klassen allgemein toxischer Stoffe definiert. Herstellern stünden für den Nachweis der Unbedenklichkeit im Wesentlichen drei Möglichkeiten zur Verfügung: Die Suche nach Listung in einem anderen Lebensmittelbereich, z.B. als Lebensmittelzusatzstoff, der Nachweis, dass die Migration unter der Schwelle der toxikologischen Relevanz bleibt und, wenn die beiden ersten Wege nicht zielführend sind, eigene toxikologische Abklärungen. Solche Abklärungen haben der regulatorischen Toxikologie zu genügen, welche die EFSA festlegt. Dazu bemerkte Grob, dass die populären und mit viel Geld geförderten in vitro-Tests Defizite aufweisen, die sie für viele Anwendungen untauglich machen, weil sie komplexere Endpunkte nicht erkennen und den Metabolismus nicht simulieren. Auch Analogieschlüsse (“read across”) seien nur bedingt anerkannt. Grob zeigte an Beispielen, dass eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Absicherung in vielen Fällen sehr schwer machbar ist und die bisher geleistete Arbeit noch oft weit vom Ziel entfernt ist. Entsprechend ist es für die meisten FCM nicht wirklich möglich, gesundheitliche Unbedenklichkeit gültig zu garantieren, was die Hersteller in eine unbefriedigende Lage bringt.
Die Tagungsunterlagen mit den Skripten aller Vorträge der Fresenius-Konferenz können zum Preis von 295,- EUR zzgl. MwSt. bei der Akademie Fresenius bezogen werden. E-Mail: akoterba@akademie-fresenius.de