Vorvergangene Woche hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) einen neuen modifizierten Entwurf zur Novellierung des Tierschutzgesetzes vorgelegt. Die Reaktionen auf diese ersten “Bewegungen” im Vergleich zu den völlig indiskutablen früheren Fassungen vor allem auch im Bereich “Rinderhaltung” sind höchst  unterschiedlich: Von Ernüchterung vor allem in süddeutschen Regionen, allen voran in der BBV-Gruppe wegen der besonders starken Betroffenheit Bayerns, bis zum Jubel bei der ein oder anderen in Berlin “aktiven” Regierungspartei, bis zur weiterhin vollkommenen Ignoranz in weiten Teilen der großen Palette berufsständischer Erzeugerorganisationen, ist alles wahrnehmbar – oder eben nicht!
Wie im letzten vorgelegten Entwurf von Anfang Februar diesen Jahres soll zwar die (ganzjährige) Anbindehaltung unverändert auslaufen. Dies aber nicht mit einer Frist von wie bisher nur 5 Jahren, sondern 10 Jahren. Diese 10 Jahre  entsprächen der Festlegung im Koalitionsvertrag der derzeitigen Bundesregierung vom Dezember 2021, die “Anbindehaltung binnen 10 Jahren (zu) beenden”. Dies war aber die Mindesterwartung, dass die Vorgabe im Koalitionsvertrag nicht noch eine Verschlechterung erfährt. Bekanntlich hat aber die Südschiene der Milchwirtschaft Mitte Februar in einer gemeinsamen Stellungnahme erneut von einer Fristsetzung abgesehen: Die ganzjährige Anbindehaltung wird ein Selbst(aus)läufer, braucht keine gesetzliche Vorgabe.
Geändert wurde, weil die bisherige Fassung ein Affront gegen die Kombihaltung gewesen wäre, dass die Kombihaltung nicht mehr an den Betriebsleiter, sondern an den Betrieb gekoppelt bleiben soll. Somit würde der Status bei einer anstehenden Betriebsübergabe erhalten bleiben. Unverändert und weiter höchst unbefriedigend, weil kaum praktikabel, sind aber die folgenden Vorgaben:
Kombinationshaltung gemäß den Öko-Vorgaben: Weide während der Vegetationsperiode und außerhalb dieses Zeitraumes zweimal Bewegungsmöglichkeit pro Woche.
Diese Regelung soll weiterhin nur für Betriebe mit maximal 50 Rindern gelten, die älter als 6 Monate sind.
Erstaunlich, wie vor allem von gewichtigen Akteuren der Partei DIE GRÃœNEN diese ersten Bewegungen als Erfolg, als eigener Erfolg mittels Aufklärung des Parteikollegen, Bundesminister Cem Özdemir, verkauft wird. Aus dem BMEL in Berlin selbst hört man, dass mit der vorgeschlagenen Form der Kombihaltung die Almbewirtschaftung weiter möglich sei, ebenso die Bewirtschaftung von Mittelgebirgslagen. Ob das die stark betroffenen Milcherzeuger in den Mittelgebirgslagen des Bayerischen Waldes auch so sehen, wo Weidehaltung genauso schwierig ist wie die Vorgabe, im Winter den Kühen zumindest zweimal die Woche Bewegung zu gewähren, darf stark bezweifelt werden. Nicht einmal im Voralpenraum kann dies nicht ohne weiteres umgesetzt werden. Von den fränkischen Regionen muss man an dieser Stelle erst gar nicht sprechen. Da bekommt die Redewendung “jemanden aufs Glatteis führen” für Mensch und Tier eine ganz eigene Note.
Auch die jetzt alleinige Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, Katharina Schulze, spricht in ihrer bekannt euphorischen Art von einem Erfolg für die bayerischen Kombihalter. Ihr ehemaliger Kollege, der jetzige Vizepräsident des Landtages, Ludwig Hartmann, hat im vergangenen Jahr noch angemerkt, wonach die bayerischen Kombihalter “in der Regel 40 bis 60 Kühe” halten würden, Da wäre aber die “grüne Obergrenze” von nur 50 Rindern reichlich fehlkalkuliert. Und auch der Tegernseer Bundestagsabgeordnete Karl Bär, Obmann seiner Partei im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, überschüttet sich mit Selbstlob.
Auffällig aber, dass in den letzten Wochen von einigen der mittlerweile doch recht zahlreichen berufsständischen Erzeugerorganisationen zu diesem Thema rein gar nichts zu hören ist. Dort beschäftigt man sich nach wie vor mit höchster Leidenschaft dem Art. 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO). Das muss per se nicht schädlich sein, sofern die angestrebte Verbindlichkeit weiterer Vorgaben in den Milchlieferverträgen nicht doch wieder nur zum Schaden (oder “auf Kosten”) der Erzeugerseite ausgehen sollte. Aber ein bisschen mehr Engagement angesichts eines drohenden Strukturbruches in der Rinderhaltung wäre schon wünschenswert, wenn aktuell sogar zu befürchten ist, dass die Bundesregierung das Tierschutzgesetz noch vor der Sommerpause durch den Bundestag jagen möchte.