Als am 2. Januar 2003 die ersten Kunden ihre Flaschen und
Dosen in die Supermärkte brachten, gab es das Pfand nur gegen Vorlage von
Quittungen. Es sollte noch Jahre dauern, bis das Pfandsystem seine
Kinderkrankheiten überwunden hatte. Die politische Debatte wurde mit aller
Härte geführt. Bundestag und Bundesrat bremsten sich mehrfach gegenseitig aus
und letztendlich landete das Dosenpfand vor dem Bundesverfassungsgericht und
dem Europäischen Gerichtshof. Hat sich der Aufwand gelohnt? Der FKN kommentiert:
…„Das eigentliche Ziel war, den Anteil von Mehrwegflaschen
und ökologisch vorteilhaften
Einweggetränkeverpackungen (MövE) wieder auf 80% des Getränkekonsums zu bringen. So steht
es in der Verpackungsverordnung. Dieses klar formulierte Ziel wurde grandios
verfehlt. Im ersten Jahr nach der Pfandeinführung sah es noch ganz gut aus: Der
MövE-Anteil stieg leicht auf 71 %. Das
lag aber vor allem an dem anfangs wenig verbraucherfreundlichen
Rücknahmesystem. Die Verpackungen konnten zunächst nur da zurückgegeben werden,
wo sie gekauft worden waren.
Seit 2005 geht es
rapide abwärts. Nach den neuesten Zahlen des BMU lag die MövE-Quote im Jahr
2010 bei 50,1 Prozent – 30% unter dem angestrebten Ziel! Wenn der hohe
Glas-Mehrweg-Anteil bei Bier nicht wäre, würde die Quote noch wesentlich
schlechter aussehen. Hinzu kommt, dass unbepfandete Getränke wie Fruchtsäfte
von der amtlichen Statistik nicht erfasst werden. Hier verlor alleine der
ökologisch vorteilhafte Getränkekarton in den letzten fünf Jahren mehr als 30
Prozent (!) an die Plastikflasche.
Das alles war absehbar. An warnenden Stimmen hat es
jedenfalls nicht gefehlt. Uneinig waren sich Branchenexperten lediglich darin,
wie schnell und in welchem Umfang Einweg zulegen wird. Die Argumente von damals
sind auch heute noch gültig: Die Handling- und Logistik-Kosten von Dosen und
PET-Flaschen sind deutlich niedriger als bei Mehrwegflaschen. Wenn schon in ein
Rücknahmesystem investiert werden muss – so hieß es damals -, werden die
meisten Händler nicht zwei Systeme nebeneinander betreiben, sondern sich für
eines entscheiden. So kam es dann auch. Außerdem stellte sich schnell heraus, dass
sich die Rücknahme über Automaten trotz hoher Anfangsinvestitionen rechnet:
Durch nicht eingelöste Pfandgelder, hohe Sekundärrohstofferlöse und eingesparte
Lizenzentgelte für den Grünen Punkt kommt einiges zusammen. Bei einem Preis von
unter 20 Cent für 1,5 Liter Mineralwasser in der PET-Einwegflasche beim
Diskounter braucht man keine Marktstudien, um zu erkennen, warum Mehrweg
verliert und heute etwa die Hälfte aller Getränke bei Aldi, Lidl und Co.
verkauft werden.
Noch im Herbst 2004 – eineinhalb Jahre nach Einführung des
Pfands – versuchten das SPD-regierte Rheinland-Pfalz und das CDU-regierte
Hessen das Pfand wieder abzuschaffen und durch eine Einweg-Abgabe zu ersetzen.
Bekanntlich ohne Erfolg. Auch in den darauf folgenden Jahren hat es nicht an
politischen Initiativen gefehlt. Auf der 70. Umweltministerkonferenz im Jahr
2008 wurde die Bundesregierung aufgefordert, „möglichst schnell“ einen
Maßnahmenkatalog vorzulegen, um den Trend zu ökologisch nachteiligen Einweg-Getränkeverpackungen
zu stoppen. Dabei sollten auch andere Instrumente als das Pflichtpfand in die
Überlegungen einbezogen werden – „zum Beispiel eine Lenkungsabgabe“. Passiert ist wenig. Eine Studie im Auftrag des
Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2010 rät von Lenkungsabgaben wegen mangelnder
politischer Durchsetzbarkeit ab.
Stattdessen wurde neben einer besseren Kennzeichnung und
Aufklärungskampagnen auch eine Ausweitung der Pfandpflicht auf alle Getränkebereiche
empfohlen. Ein verwegener Vorschlag, wenn man bedenkt, dass das Pfand schon bei
Mineralwasser und Erfrischungsgetränken nicht die erhoffte Wirkung gebracht
hat. Warum dann ausgerechnet bei Fruchtsäften, Wein und anderen Getränken? Vor
allem: Die Studie selbst liefert genügend Hinweise, warum eine Ausweitung des
Pfands der Plastikflasche weitere Kostenvorteile verschaffen würde, die dann
zur Verdrängung von Mehrwegflaschen und Getränkekartons genutzt werden können.
Dem Verbraucher helfen zu wollen, weil ihn
die vielen Ausnahmeregeln irritieren, kann jedenfalls kein Argument für
eine Ausweitung der Pfandpflicht sein: Nach 10 Jahren dürfte sich fast jeder
daran gewöhnt haben, dass der Automat bei Saft-, Wein- und Schnapsflaschen
keine 25 Cent ausspuckt.
Pfandsystem abschaffen will heute niemand mehr. Selbst die
schärfsten Kritiker haben sich damit arrangiert. Das Zurückbringen von
Plastikflaschen und das Trennen von Müll sehen viele Deutsche als ihren Beitrag
zum Umweltschutz an. Dabei wird das Pfand grundsätzlich als etwas ökologisch
Gutes angesehen. Die Grenzen zwischen ökologisch vorteilhaften und nachteiligen
Verpackungen verwischen. Die geplante Einweg-Mehrweg-Kennzeichnung soll
Irritationen beim Verbraucher vermeiden. Ob dies allerdings zu einer Trendwende
führen wird, darf bezweifelt werden.“