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Verbot aktueller Milchpreisvergleiche


 

Lesen Sie hier die unredigierte Stellungnahme von Prof. Dr. Hannes Weindlmaier
zur Absicht des Bundeskartellamts, aktuelle Milchpreisvergleiche zu verbieten:

Mit großer Verwunderung habe ich gelesen, dass das Bundeskartellamt
aktuelle Milchpreisvergleiche verbieten will. Begründet wird dies damit,
dass durch diese die Preisbildung am Rohmilchmarkt gestört und durch
die Kenntnis der von anderen Molkereien bezahlten Milcherzeugerpreise
die Konkurrenz am Rohstoffmarkt reduziert wird. Auf der Basis unserer
Forschungsergebnisse zu dieser Thematik halte ich diese Auffassung für
grundsätzlich falsch. Durch folgende Argumente möchte ich diese Aussage
unterstreichen:

  1. Die Höhe der aktuellen Milcherzeugerpreise
    ist von einer sehr großen Anzahl von Einflussfaktoren abhängig (z.B.
    Marktentwicklungen, Maßnahmen der Marktordnung, Standortfaktoren,
    Leistungsfähigkeit der Molkerei, Eigenschaften der gelieferten Milch,
    Verhandlungsgeschick). Die einzelnen Faktoren sind im Zeitablauf nicht
    konstant, sondern weisen zumindest teilweise erhebliche Schwankungen
    auf. Insgesamt resultieren für die Preisbildung Rahmenbedingungen,
    welche eine objektive Preisfestlegung sehr schwierig und komplex machen.
    Insbesondere ist davon auszugehen, dass bei der Preisfestlegung eine
    vollständige Markttransparenz für die beiden Verhandlungspartner
    (Milcherzeuger bzw. Erzeugergemeinschaften einerseits und
    Geschäftsführer bzw. Vorstände der Molkereien andererseits) häufig nicht
    vorliegt.
  2. Die Rahmenbedingungen für die Preisbildung entsprechen dem
    Prototyp einer Konstellation, die in der Betriebswirtschaftslehre als
    Informationsasymmetrie bezeichnet wird. Im vorliegenden Fall geht diese
    zumindest tendenziell zu Lasten der Erzeuger, da diesen weniger
    entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung stehen als dem
    Management der Molkereien. Aus diesem Grund hat man immer wieder
    versucht, die Festlegung der Erzeugermilchpreise an Hilfs- oder
    Orientierungsgrößen zu koppeln. Voraussetzung für die Eignung solcher
    Orientierungsgrößen ist, dass sie zumindest die wichtigsten der
    erwähnten Einflussfaktoren implizit berücksichtigen, dass sie den
    Prozess der Preisfindung vereinfachen, und dass sie von beiden
    Verhandlungsparteien akzeptiert werden, um Konflikte zwischen diesen zu
    minimieren.
  3. Aufgrund der Unsicherheit über die bestmöglichen
    Milcherzeugerpreise sind für die Verantwortlichen bei den
    Milchpreisverhandlungen Informationen über die von anderen Molkereien
    bezahlten Preise von großer Bedeutung. Vor allem für die Milcherzeuger
    und ihre Vertreter in den Entscheidungsgremien der
    Molkereigenossenschaften sowie der Milcherzeugergemeinschaften sind
    diese Informationen sehr wichtig.
  4. In Molkereigenossenschaften wurde in der Vergangenheit der
    Milchpreis überwiegend direkt von der tatsächlich erzielten
    Nettoverwertung der verarbeiteten Milch in den Vormonaten abgeleitet.
    Für die ehrenamtlichen Verantwortlichen in den Entscheidungsgremien
    Vorstand und Aufsichtrat sind veröffentlichte Milcherzeugerpreise jedoch
    nichtsdestotrotz eine wichtige Entscheidungshilfe, um zu beurteilen, ob
    "ihre" Molkerei einen der Leistungsfähigkeit der Molkerei
    entsprechenden Milchpreis bezahlt.
  5. Bei den Preisverhandlungen zwischen Milcherzeugergemeinschaften
    bzw. einzelnen großen Milcherzeugern und Privatmolkereien bilden bisher
    so genannte Referenzpreise eine wichtige Basis. Ein typisches Beispiel
    dafür war bis 2006 in Bayern der Erzeugerorientierungspreis EOP, der
    überwiegend als Basis für die Vereinbarung des Milcherzeugerpreises
    diente, wobei der tatsächlich bezahlte Preis jedoch normalerweise höher
    war und das Verhandlungsergebnis zwischen den Vertretern der Erzeuger
    und den Molkereien widerspiegelte. Nach Abschaffung des EOP in Bayern
    bilden wie auch bereits bisher in anderen Regionen zumeist
    Referenzpreise die Basis. Beispiele dafür sind die Durchschnittspreise
    umliegender Molkereien, die veröffentlichten Durchschnittspreise ganzer
    Regionen oder Länder oder, beispielsweise bei der Preisbildung des
    holländischen Molkereiunternehmens FrieslandCampina, die mit der Menge
    gewichteten Durchschnittspreise ausgewählter holländischer, belgischer,
    dänischer und deutscher Molkereien.
  6. Die Auffassung des Bundeskartellamts, dass hohe Markttransparenz
    zu Lasten der Erzeuger geht, sehe ich daher grundsätzlich kritisch.
    Entsprechend der generellen Aussage der Wettbewerbstheorie ist eine hohe
    Markttransparenz auch am Rohmilchmarkt eine Voraussetzung für einen
    funktionierenden Wettbewerb. In diesem Zusammenhang möchte ich auch
    darauf hinweisen, dass in der Vergangenheit nicht die Milcherzeuger und
    ihre Verbände, sondern die Molkereien sich immer wieder gegen eine zu
    hohe Transparenz ausgesprochen haben, z.B. bei der Einführung des
    ZMP-Milchpreisvergleichs. Die Annahme, dass es durch die
    Nichtveröffentlichung der Milcherzeugerpreise möglich wäre, dem
    Lebensmittelhandel die Preissituation am Rohmilchmarkt zu verschweigen,
    halte ich für nicht zutreffend. Der Lebensmittelhandel hat umfangreiche
    Informationsnetzwerke, so dass er auf diese Veröffentlichungen der
    Milcherzeugerpreise nicht angewiesen ist.
  7. Sollte das Bundeskartellamt tatsächlich die weitere
    Veröffentlichung von Milchpreisvergleichen verbieten, gehe ich davon
    aus, dass bezüglich der Milchpreisbildung eine große Unsicherheit
    entsteht. Der tatsächliche Milcherzeugerpreis würde sich dann weniger an
    den objektiven Rahmenbedingungen orientieren, sondern vom jeweiligen
    Verhandlungsgeschick der Verhandlungspartner abhängen. Eine Zunahme der
    Auseinandersetzungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien könnte die
    Folge sein. Dies wäre der weiteren Stärkung der internationalen
    Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Milch- und Molkereiwirtschaft
    sicherlich nicht dienlich. Auf jeden Fall gehe ich nicht davon aus, dass
    die deutschen Milcherzeuger von dieser für mich völlig unverständlichen
    Maßnahme des Bundeskartellamts Vorteile hätten.

 

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