Alle Marktauguren, die der Internationale Milchwirtschaftsverband IDF heute auf dem World Dairy Summit aufbieten konnte, waren nicht in der Lage, Konkretes über die weitere Marktentwicklung zu sagen. Für das laufende Jahr wird weiteres Wachstum der globalen Milcherzeugung erwartet, allerdings wird das Plus nur 1 bis 2% ausmachen. Im letzten Jahr legte die weltweite Milcherzeugung erlösbedingt noch um 3,3% auf 802 Mio. t zu. Im kommenden Jahr dürfte lt. Veronique Pilet (CNIEL) aber auf 830 Mio. t ansteigen.
Verbrauch und Erzeugung
Von der Verbrauchseite her gibt es positive Nachrichten: er wird in den kommenden Jahren lt. FAO/OECD um im Schnitt 2,2% ansteigen, wobei das Plus in den entwickelten Ländern nur 0,9% betragen wird. In den besser entwickelten Ländern wird 3% mehr Milch verbraucht werden, in den kaum entwickelten Ländern sogar 4,5%. Im letzten Jahr lag der Pro-Kopf-Milchverbrauch bei 110,7 kg, wovon im Schnitt 13% auf Käse, 15% auf Butter, 17% auf Frischprodukte, 4% auf VMP und 3% auf MMP entfielen. Aber noch immer werden weit über 40% der weltweit erzeugten Milch unverarbeitet verbraucht.
Kevin Bellamy: Volatilität geht alle Marktteilnehmer quer über die ganze Kette an
Die Milcherzeugung wird lt. OECD/FAO in den kommenden 10 Jahren weiter steigen. Allerdings in den entwickelten Ländern um nur 0,8%, während die Schwellenländer auf ein Plus von im Schnitt 2,7% kommen werden. Indien wird z.B. seine Milchmenge um 60 Mio. t auf 190 Mio. t steigern, China wird mit 53 Mio. t 26% mehr erzeugen, Pakistan wird auf ein Plus von 37% auf 52 Mio. t kommen und in der Türkei wird das Wachstum 24% auf 21 Mio. t betragen.
Export
Die Bedeutung des Exports für den EU-Milchmarkt betonten sowohl Dr. Stephan Gay (OECD) als auch Joost Korte (EU-Kommission): die Märkte in den entwickelten Ländern stagnieren – wenn Dynamik in den Markt kommen soll, muss ganz einfach exportiert werden. Im Jahr 2024, so die Schätzung der OECD, erden 50% des weltweit produzierten MMP gehandelt, bei VMP werden es 45% und bei Käse immerhin etwas über 10% sein. Der Welthandel mit Mopro wird dieses Jahr um 0,7% zurückgehen, so Pilet, aber er dürfte in 2016 wieder um 4% 68,6 Mio. t steigen und damit 9% der globalen Milcherzeugung ausmachen. Zum Vergleich: in 2014 legte der Welt-Moprohandel um 6% auf 60,5 Mio. t zu. Bis 2024 wird das relative Preisniveau für Milch in jedem Fall höher sein als für andere Agrarcommodities, so Gay. Dies könne aber nicht davon ablenken, dass alle Agrargüter einer langfristig negativen Preisentwicklung ausgesetzt sind – wie Gay anhand einer Realpreiskurve für Mais aufzeugte, die seit 1908 aufgezeichnet wird.
Volatilität
Volatilität ist zu einem Faktum geworden, erklärte Kevin Bellamy (Rabobank). Sie beeinflusst die gesamte Kette, wobei die Erzeuger als kleinste Marktteilnehmer natürlich am empfindlichsten sind. Margen, so Bellamy, sind aber in jedem Fall wichtiger als bloße Preise – eine Risikoabsicherung könne keinesfalls der Gewinnsteigerung dienen. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, sich gegen Marktrisiken zu wappnen, zählte Bellamy auf: Futures, Forward Trading , Integration in der Lieferkette, flexible Finanzierungskonzepte und am Ende auch Markteingriffe durch die Regierungen. Hierbei hob der Banker spezielle Konzepte bei Milchkäufern hervor, u.a. den 3-Jahres-Garantiepreis für 15 – 30% der Milchmenge bei Glanbia, den produktionskostenbasierten Milchpreis von Tesco oder die Internationalisierung von Granarolo hervor, die den Milchpreis stützen soll. Morrisons entwickelt gerade ein Milchpreisschema, bei dem die Erzeuger einen Dreimonatsdurchschnitt basierend auf den indexierten Notierungen für Butter und MMP erhalten sollen. In jedem Fall würde mehr Transparenz den Markteilnehmern helfen, so Bellamy.
Wie komplex die den Markt und die Erlöse beeinflussenden Faktoren sind, zeigte Kevin Bellamy (Rabobank) mit dieser Grafik auf.
Noch immer Marktstützung vorhanden
Joost Korte wies darauf hin, dass die EU ihre Bauern keineswegs im Regen stehen lässt. Denn noch immer erzielen die Milcherzeuger 42% ihres Einkommens über Direktzahlungen, zudem finanziert Brüssel ein ganzes Bündel weiterer Maßnahmen, die dem Markt helfen sollen (Privateinlagerung, MMO, 500 Mio. € Hilfspaket usw.). Der Interventionspreis sei absichtlich niedrig gehalten, damit die Branche die Marktentwicklung auch wirklich fühlt und entsprechend reagiert. Betrachte man einen Preisdurchschnitt von 3 – 4 Jahren, seien die aktuellen Markterlöse um 12% niedriger, nur verglichen mit 2014 liege das Minus aber bei ca. 30%. Die wettbewerbsfähigen Milcherzeuger würden den volatilen Markt überleben, war sich Korte sicher.
Joost Korte: Die EU-Kommission wird über die Intervention keine Produktionsanreize setzen
Brüssel hält sich mit weiteren Markteingriffen zurück, sagte Korte, denn die Ursachen für die Entwicklung der Preise unterscheiden sich von Land zu Land. Der Markt brauche einfach mehr Transparenz, damit die Kommission die richtigen Maßnahmen ergreifen könne. Im Übrigen sei die aktuelle Marktentwicklung absehbar gewesen – hier bestehe sicher Kommunikationsbedarf ggü. den Bauern. Wer den Erzeugern einen höheren Preis aussetzt, stimuliere ausschließlich den Verkauf in die Intervention, so Korte.