Bereits vor mehr als 10 Jahren hat die EU den Mitgliedsstaaten im Rahmen des sog. Milchpaketes die Möglichkeit eingeräumt, den Abschluss von vertraglichen Vereinbarungen über Preis, Menge, Qualität und Dauer verbindlich vorzugeben. Deutschland hat davon keinen Gebrauch gemacht, wobei nochmals zu erwähnen ist, dass hierzulande über 70 Prozent der Milcherarbeitung in genossenschaftlicher, sprich bäuerlicher Hand liegt und die Vermarktung der Milch an Privatmolkereien über die Milcherzeugergemeinschaften bereits seit Jahrzehnten über schriftliche Milchkaufverträge vonstatten geht. Übrigens auch mit Preisvorgaben, die durchaus eine Kenntnis des Milchpreises vor Erzeugung und Lieferung zulassen.
Durch einen neuerlichen Vorstoß der EU und hier speziell des neuen Agrarkommissars Christophe Hansen sollen nun Verträge mit festen Vorgaben EU-weit in allen Staaten verpflichtend eingeführt werden. Sowohl der EU-Agrarausschuss wie auch das Parlament haben dies vor einigen Wochen mehrheitlich befürwortet. Derzeit befindet sich die Diskussion im sog. Trilogverfahren zwischen Parlament, Rat und Kommission. Im Rahmen dieses Trilogs wird es Ziel Deutschlands sein, dass einzelne EU-Staaten im Zuge einer Opt-Out-Lösung Abstand nehmen können von verpflichtenden EU-einheitlichen Vorgaben. Dies hat Bundesminister Rainer vor wenigen Tagen bei einer Veranstaltung in Berlin nochmals bekräftigt. Im Rahmen der Sektorstrategie 2030 hatte sich die deutsche Milchwirtschaft übrigens vor 5 Jahren auf die Vertragsfreiheit resp. Vertragsflexibilität verständigt, wobei notwendige Weiterentwicklungsprozesse immer im Fokus stehen müssen.
Bei der aktuell laufenden Diskussion bleibt weitgehend unerwähnt, dass bereits in einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten der Art. 148 GMO umgesetzt wird. Das Beispiel Frankreich ist bekannt, wo es eine diesbezüglich Regelung bereits seit 2011 gibt – mit wenig durchschlagenden Erfolg für die Milcherzeuger, wie ein Blick auf die Milchpreisentwicklung der vergangenen Jahre zeigt. Dabei soll doch mit den Vorgaben des Art. 148 die Position der Milcherzeuger in der Wertschöpfungskette nachweislich gestärkt werden! Ausweislich eines Berichtes der Europäischen Kommission von Ende 2016 wird Artikel 148 GMO auch noch in weiteren 12 EU-Ländern bereits umgesetzt. In Spanien erfolgte die Einführung im Jahr 2012, des weiteren findet Art 148 GMO auch in Italien, Litauen, Ungarn, Slowakei, Kroatien, Zypern, Portugal, Bulgarien, Rumänien, Slowenien und auch in Polen Anwendung. Mit diesen insgesamt 13 aufgeführten Länden einschließlich Frankreich sind somit mehr als 40 Prozent der EU-Milchmenge über EU-verpflichtend Vertragsvorgaben abgedeckt.
Weder die Preisentwicklung in den 13 EU-Ländern lässt mit der Anwendung des Art. 148 GMO einen wirklichen Vorteil für die Milcherzeugerseite erkennen. Und auch das Thema “Menge” resp. “Mengensteuerung” war schon zu Quotenzeiten in Ländern mit sehr niedriger Selbstversorgung wie Italien oder Portugal ein Fremdwort. Die Entwicklung der Milcherzeugung in Polen darf seit Beitritt in die EU im Jahre 2004 durchaus als expansiv bezeichnet werden. Wenn in Deutschland einige Milcherzeugerverbände reklamieren, dass die “übergroße Mehrheit der Landwirtinnen und Landwirte” sich für die Umsetzung der beschriebenen EU-Vorgaben einsetzen würden, sei einmal mehr festgehalten, dass der größte Teil der deutschen Milcherzeuger weder Lieferordnung oder Milchkaufvertrag wirklich kennen.
Foto: Höveler Holzmann