Zur Jahrestagung des Milchindustrie-Verbandes (MIV) am 23. und 24. Oktober traf sich die Spitze der deutschen Milchwirtschaft in Berlin. Im Mittelpunkt standen politische Rahmenbedingungen, Marktentwicklungen und die zunehmende Belastung der Branche durch Bürokratie.
Der neu gewählte MIV-Vorsitzende Detlef Latka (Foto: molkerei-industrie) betonte, dass die Branche nach Jahren politischer Zurückhaltung wieder stärker wahrgenommen werde. Zugleich zeigte er sich besorgt über die Vielzahl an Regulierungen, die den mittelständisch geprägten Sektor erheblich belasten. Die Bundesregierung habe zwar einen umfassenden Bürokratieabbau angekündigt, nun müsse diesem Versprechen auch spürbares Handeln folgen. Derzeit könnte von Bürokratieabbau keine Rede sein, insbesondere wenn man an neue Vorschriften wie Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) denke. Dieser Artikel wird von der Branche als Eingriff in die unternehmerische Freiheit kritisiert. „Das alles geschieht vor dem Hintergrund sinkender Produktpreise, hoher Energiekosten und eines zunehmenden Fachkräftemangels. Hier brauchen wir mehr Vertrauen in die Eigenverantwortung der Wirtschaft – nicht noch mehr staatliche Eingriffe“, so Latka.
Politische Rahmenbedingungen
Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (Foto: molkereu-industrie) hob in seiner Rede die Bedeutung der Milchwirtschaft als zentrale Säule der deutschen Landwirtschaft hervor. Die Branche stehe vor großen Herausforderungen: Die Zahl der Milcherzeuger sinke, viele Molkereien befänden sich im strukturellen Wandel, und Tierseuchen sowie volatile Märkte erhöhten den wirtschaftlichen Druck.
Der Minister kündigte an, den Dialog mit der Branche fortzuführen und stärker auf verlässliche politische Rahmenbedingungen zu setzen. Deutschland nehme beim Tierwohl international eine führende Position ein – dies müsse stärker kommuniziert werden. Auch der Export solle weiter gestärkt werden. Ein Schwerpunkt seiner Rede lag auf dem Abbau übermäßiger Bürokratie. Rainer betonte, die Regierung prüfe derzeit, an welchen Stellen nationale Vorschriften über die europäischen Anforderungen hinausgehen und gegebenenfalls zurückgenommen werden könnten. Als Beispiel nannte er die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR), die er als „Bürokratiemonster“ bezeichnete. Auch zu Artikel 148 GMO äußerte sich Rainer kritisch, er forderte für Deutschland eine Opt-Out-Möglichkeit. Zugleich forderte der Minister, das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft wieder stärker auf Vertrauen statt Misstrauen zu gründen. Bürokratie habe sich über Jahrzehnte aufgebaut – nun müsse das Rad umgedreht werden. Erfolgreich wirtschaften könne die Branche nur, wenn sie die nötigen Freiräume für unternehmerisches Handeln bekomme.
Niederländischer Milchmarkt
Tom Booijink, Rabobank, zeichnete ein klares Bild des niederländischen Milchmarktes. Mit einem Versorgungsgrad von 292 Prozent ist das Land stark exportorientiert, rund 90 Prozent der Milchverarbeitung entfallen auf die fünf größten Unternehmen. Nirgendwo in Europa gibt es so viele Nutztiere pro Quadratkilometer wie in den Niederlanden – das führt zu massiven Zielkonflikten zwischen Landwirtschaft, Umweltauflagen und Politik. Im Fokus stehen hier die Themen Stickstoff, Nitrat und Phosphat.
Die EU verlangt eine Reduktion der Stickstoffemissionen um bis zu 95 Prozent in den Natura-2000-Gebieten. Seit 2017 gelten Phosphatrechte, die durchschnittlich 16 Cent pro Liter Milch kosten. Über eine staatliche Ausstiegsregelung kauft die Regierung derzeit rund vier Prozent der Milchviehhalter auf. Insgesamt wird bis 2030 ein Produktionsrückgang von rund elf Prozent erwartet – mit erheblichen Folgen für die Molkereien. Der Wettbewerb um Rohmilch verschärft sich: Molkereien schaffen Eintrittsgebühren ab, erhöhen Nachhaltigkeitsprämien oder fusionieren, um Liefermengen zu sichern. Gleichzeitig wachsen Nachhaltigkeitszuschläge zu einem festen Bestandteil der Auszahlung.
Booijink erwartet, dass die nach den Parlamentswahlen zu erwartende Mitte-Koalition den Kurs der Tierbestandsreduktion fortsetzen wird – mit weitreichenden Folgen für Produktion und Struktur der Branche.