Die Ampelkennzeichnung für Lebensmittel
bzw. deren Nährwert
ist eigentlich längst vom Tisch. Zu
komplex in der Erstellung, zu verwirrend oder
zu geringer Informationswert für den Verbraucher,
und ganz und gar unnötig, wenn man
auch nur eine minimal gesunde Lebensführung
der Konsumenten voraussetzt – dies waren die
Hauptgründe dafür, dass die Ampel am Ende,
trotz lauter Propaganda von den üblichen Seiten,
keine politische Mehrheit fand.
Wer nun glaubte, dass zumindest an dieser
Front Ruhe einkehren würde, hat sich leider
getäuscht. Die ganz Großen im Nahrungsmittelgeschäft,
4 8 2017 | moproweb.de
„Künstlich“ vs. Standard
Die Multis finden die Ampelkennzeichnung
plötzlich doch sexy
Coca-Cola, Mars, Mondelez, Nestlé,
PepsiCo und Unilever haben die Ampel-Idee
wieder aufgegriffen. Sie wollen auf diesem
Weg gemeinsam zu einer „Weiterentwicklung
der freiwilligen Nährwertkennzeichnung“ in
der EU kommen. Basis dafür sollen die gängigen
Richtwerte zur täglichen Aufnahme von
Energie und Nährstoffen (engl. GDA) sein.
Ziel der Multis ist es, ein europäisches, bewertendes
Nährwertkennzeichnungssystem zu
schaffen. Eigene Verbraucherumfragen ließen
auf einen Konsens unter Stakeholdern hindeuten,
der für einen Einsatz einer Farbkennzeichnung
für den/die Nährwert/e spricht, hieß es
Anfang März in einem gemeinsamen Statement
zur Begründung. Verwendet werden soll das im
UK bereits etablierte Ampelsystem, das jedoch
bezüglich der jeweiligen Portionsangaben weiterentwickelt
werden müsse.
Das alles klingt zunächst ganz akzeptabel, ist
es doch ein Anliegen der Lebensmittelindustrie,
ihre Produkte so zu kennzeichnen, dass der Verbraucher
auch wirklich versteht, was ihm mitgeteilt
wird, um dann seine Kaufentscheidung
zu treffen. Ob es indes „den Verbraucher“ gibt,
der dies allein auf Basis einer Nährwertkennzeichnung
tut, ist fraglich. Marke, Geschmack,
Textur, Packungsgröße und Preis dürften insgesamt
die schwerwiegenderen Gründe für
eine Kaufentscheidung bilden.
Tatsächlich fallen die Konzerne der klein- und
mittelstrukturierten Nahrungsmittelindustrie
und dem Ernährungshandwerk in den Rücken.
Ganz offenbar versprechen sie sich Vorteile im
Markt. Denn ihre Erzeugnisse haben i.d.R. eine
komplexe Rezeptur, die viele Stellschrauben
bietet, um Nährwerteigenschaften quasi maßzuschneidern.
Ein Purist würde hier wohl von
„künstlichen“ Lebensmitteln sprechen, künstlich
in dem Sinn, dass es sich oft eben um zusammengesetzte
Erzeugnisse und nicht um
Naturprodukte handelt. Die Lebensmitteltechnologen
bei Nestlé & Co. sind in der Lage, die
Kerneigenschaften solcher Produkte punktgenau
einzustellen, so dass sich z. B. trotz reduzierten
Fett- oder Zuckergehalts ein angenehmes
Mundgefühl einstellt.
Das sieht bei Molkereien ganz anders aus.
Wer z. B. Käse herstellt, ist im Rahmen der gesetzlichen
Produktstandards gefangen. Hier
sind Textur, Fettgehalt, Aussehen usw. genau
vordefiniert, abweichende Produkte dürfen die
entsprechende Bezeichnung nicht tragen. Bei
Butter ist der Fettgehalt vorgegeben, auch hier
gibt es kein Feintuning wie bei den Multis. Die Reihe
der Beispiele ließe sich fast endlos fortsetzen.
So weit, so schlecht. Kommen die Konzerne
mit ihrem Vorhaben durch, hebeln sie nebenbei
auch den Stand der Wissenschaft aus.
Diese hat einwandfrei festgestellt, dass die
Ursachen für Übergewicht komplex sind und
Adipositas sich eben nicht mit ampelfarbig gekennzeichneten
Produkten in den Griff bringen
lässt. Es bleibt nun nur zu hoffen, dass es
die unfaire Initiative der Multis niemals Realität
wird, meint Roland Soßna.
Butterpreis als Mittel zur Schuldentilgung
Draghi bekommt seine lang herbeigesehnte Inflation!
Oh je, oh jemine. Butter ist inzwischen
so teuer, dass Verbraucher sie nicht
bloß wie bisher aus dem Einwickler
nehmen, sondern auf diesem verbliebene Produktreste
gründlichst abstreifen, ebenso wie
ihre Streichmesser, mit denen sie das mit Gold
aufgewogene Fett auf ihre Stullen aufbringen.
Ganz wie im oder kurz nach dem Krieg. Kindern
wird wieder beigebracht, sorgsam mit dem Essen
im Allgemeinen, insbesondere aber mit Butter
umzugehen. Inzwischen kann der Durchschnittsdeutsche
nämlich nur noch 1,8 statt drei Jahresurlaube
auf Malle & Co. buchen, der Rest des Budgets
geht für Milchfett drauf, das bekanntlich in
alle möglichen Produkten eingearbeitet ist, und
nun das gesamte Nahrungsmittelpreisniveau auf
einer Exponentialbahn nach oben zieht.
Fast möchte man annehmen, dass Draghi in
seiner Perfidie die von ihm für Europa so heiß
begehrte Inflation über den Butterpreis erzeugt.
Zuzutrauen ist ihm ebenso wie den Schuldenländern
der EU, also allen noch-28, solches sehr wohl.
Die butyrische Inflation frisst nun zusehends die
Leistung der Kriegs- und Nachkriegsgenrationen
auf und entschuldet höchst willkommen nebenbei
die Staatshaushalte. Reich wird bei der Butterpreis
Hausse aber dennoch niemand, die große
linke Mehrheit in diesem Lande muss sich also
keine Sorgen machen. Lediglich der Staat kassiert
ein paar zusätzliche Steuergelder, die ihm aber
von Herzen gegönnt seien, sonst könnte er ja z. B.
keinen Berliner Flughafen mehr erbauen oder anderswo
Geld versenken, denkt Roland Soßna.
mi | mi-Meinung
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