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„Der Preisdruck auf Lebensmittel wird steigen“

Datum: 08.04.2020Quelle: PFH Private Hochschule Göttingen

 

 

 

Die Corona-Krise stellt die Wirtschaft vor erhebliche Herausforderungen: Werksschließungen, Kurzarbeit und Umsatzeinbrüche prägen die Schlagzeilen in diesen Tagen. Vollkommen anders ist jedoch die Situation in der Agrar- und Ernährungswirtschaft, insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel: Der Umsatz boomt und die Händler arbeiten mit Hochdruck daran, die Regale aufzufüllen und damit das hohe Kaufinteresse der Kunden zu befriedigen. „Viele Konsumenten haben in den letzten Wochen erhebliche Vorräte an Lebensmitteln eingekauft, da sie Lieferengpässe oder die Schließung des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland befürchtet haben“, sagt Dr. sc. agr. Julian Voss, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der PFH Private Hochschule Göttingen. Der Boom werde sich seiner Einschätzung nach aber für die Landwirte nicht auszahlen. „Die drohende Rezession wird in Deutschland sicherlich nicht zu einer Verteuerung von Lebensmitteln führen, von welcher die Landwirtschaft profitieren könnte. Ganz im Gegenteil – der Preisdruck auf Lebensmittel wird in Zukunft eher steigen“, so die Einschätzung von Voss. Er geht davon aus, dass stagnierende Löhne und der erhöhte Druck auf den Arbeitsmarkt die Konsumlaune in Deutschland eintrüben und damit auch den Markt für Lebensmittel beeinflussen werden.

 

Druck auf die Gastronomie, aber Chancen durch Digitalisierung

Auch für die Gastronomie erwartet der Agrarökonom nach Ende der Kontaktbeschränkungen keine wesentliche Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation. Der Experte beobachtet bereits jetzt, dass die Corona-Krise das Einkaufsverhalten bei Lebensmitteln und die Ernährungsstile beeinflusst. „Ich erwarte, dass die Konsumenten auch zukünftig verstärkt zu Hause kochen werden, Trends wie ‘Meal Prepping’, also das Vorkochen und der spätere Verzehr am Arbeitsplatz, werden damit einhergehend weiter an Bedeutung gewinnen.“ Eine wirtschaftliche Verlangsamung beziehungsweise Rezession hatte in der Vergangenheit immer einen Einfluss auf den Außer-Haus-Verzehr, welcher in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten besonders unter Druck steht. „Kochen zu Hause mit Freunden ist dann angesagter als der Besuch im Restaurant“, so Voss. Zudem erfahren Konsumenten aktuell, dass Genuss auch mit digitalen Geschäftsmodellen funktioniert. Derzeit boomen virtuelle Tasting-Events, bei welchen die Teinehmer die Produkte vorab per Versand erhalten und anschließend gemeinsam virtuell und real verkosten. „Der Klick-Boom von Koch-Videoclips im Internet ist ebenso ein Indikator dafür, dass Genuss von zu Hause mit Hilfe digitaler Tools an Bedeutung gewinnen wird“, sagt der Ökonom. Die Corona-Krise berge in dieser Hinsicht die Chance, die Agrar- und Ernährungswirtschaft zu digitalisieren. „Agile Unternehmen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft haben dadurch die Möglichkeit, ihre Produkte direkt an Konsumenten zu verkaufen – und damit Handelsstufen zu umgehen. Diese sogenannte Disintermediation eröffnet spannende Ertragspotenziale“, so der Agrarökonom.

 

Keine Versorgungsengpässe zu erwarten

Engpässe in der Versorgung mit Lebensmitteln erwartet der Experte nicht. „Die deutsche Bevölkerung profitiert von einem hohen Selbstversorgungsgrad bei relevanten Lebensmitteln und Agrarprodukten und der Leistungsfähigkeit der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft“, so Voss. „Die über 6.000 Unternehmen in der deutschen Ernährungswirtschaft und die über 250.000 landwirtschaftlichen Betriebe produzieren zuverlässig. Ein tatsächlicher Engpass im Lebensmittelhandel ist derzeit die Personalverfügbarkeit.“

Prof. Dr. Julian Voss

Prof. Dr. Julian Voss ist seit 2011 Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der PFH Private Hochschule Göttingen. Dort lehrt und forscht er u.a. im Food- und Agribusiness Management.

Roland Sossna / moproweb

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