x

Verbraucher, das unbekannte Wesen?!

Datum: 20.09.2022Quelle: VMB
Der Vorsitzende der LV Milch NRW Hans Stöcker bei der Begrüßung zum Milchforum (Foto: LV Milch NRW)

Mitte der vergangenen Woche veranstaltete die Landesvereinigung der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen e.V. (LV NRW) in Schwerte/Ruhr ihr diesjähriges Fachform Milch in seiner bereits 15. Auflage. Die Gesellschaft scheint wohl mehr und mehr dem Trend zu verfallen, wirklich alles mit allen und jedem “teilen” zu wollen. Andererseits scheint der Verbraucher für die landwirtschaftliche Branche als Erzeuger von Lebensmitteln bezüglich Konsumwünsche und Konsumgewohnheiten tatsächlich zu einem unbekannten Wesen zu werden – oder besser: Bereits zu sein. Rund 100 Branchenvertreter, darunter auch die VMB-Geschäftsführung, diskutierten dieses Thema und unternahmen den Versuch, die rätselhafte Verbraucherschaft zu entschlüsseln, was diese will, wie diese tickt und ob nicht zwischen Landwirtschaft und Verbraucherschaft bereits eine (zu) große Entfremdung stattgefunden hat.

Die Teilnehmer begrüßt wurden durch Hans Stöcker, dem rheinischen Vorsitzenden der LV NRW, dem ein Grußwort von Joachim Harttung, dem Milchreferenten im Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz von NRW folgte. Danach führte Jens Lönneker, Geschäftsführer des Lönneker & Indahl Rheingold Salon, der bereits beim diesjährigen Berliner Milchforum referiert hatte, mit einem Impulsreferat in die anschließende Podiumsdiskussion über. Der Kölner Meinungsforscher stellte nicht überraschend fest, dass die Kuhmilch zunehmend in die Diskussion geraten sei. Lönnecker sparte nicht mit provokanten Thesen, z.B. ob der Konsum von Kuhmilch natürlich oder eine kulturelle Fehlentwicklung sei. Kuhmilch würde sogar schädigende Folgen wie Allergien und Krebs nachgesagt, was auch zu der gegenwärtigen Polarisierung in der Gesellschaft beiträgt und Zündstoff für die anschließende Diskussion lieferte. Dieser gehörten neben Jens Lönneker noch Dr. Inken Christoph-Schulz vom Thünen Institut, Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale NRW sowie der Milcherzeuger Matthias Schulte-Althoff aus Haltern am See an, der auf seinem Betrieb nicht nur eine Direktvermarktung, sondern gleichzeitig auch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit rund um die Milch und die Rinderhaltung betreibt.

Christoph-Schulz stellte wohltuend differenziert, aber auch realitätsgetreu fest, dass es eindeutig zu pauschal formuliert sei, dass die derzeit ohne Zweifel boomenden pflanzlichen Alternativen das tierische Original verdrängen würden. Eine Verschiebung ergebe sich ohne Zweifel bei  bei der Trinkmilch, die den weitaus größten Teil der pflanzlichen Alternativen ausmacht. Zudem relativierte sie, dass zwar in den vergangenen fünf Jahren in jeder Verbrauchergruppe der Pro-Kopf-Verbrauch von pflanzlichen Trinkmilchalternativen gestiegen sei, parallel in sieben von 12 Verbrauchergruppen aber eben auch der Konsum von Trinkmilch. Das belegt einmal mehr die These, dass pflanzliche Alternativen nur bedingt Trinkmilch ersetzen, sondern dass diese zusätzlich konsumiert werde.

Bernhard Burdeck von der Verbraucherzentrale sieht einen breiten gesellschaftlichen Konsens beim Umbau der Nutztierhaltung, getrieben von den Schlagwörtern Tierwohl, Klimaschutz und dem alles erschlagenden Wort Nachhaltigkeit. Dies alles führe zu einer deutlich stärker pflanzenbasierten Ernährung mit weniger stark verarbeiteten Produkten. Mehr Nachhaltigkeit in der Nutztierhaltung sei aber nicht zum Nulltarif zu bekommen, führe also zwangsläufig zu höheren Preisen und zu einem Rückgang im Verzehr. Eine Win-Win-Situation für alle?
Milcherzeuger Matthias Schulte-Althoff vertrat durch die Kontakte auf seinem Betrieb die Ansicht, dass es DEN Verbraucher nicht gebe. Jeder Kunde sei anders und hat andere Bedürfnisse, die er über seinen Vertriebsweg zu bedienen hat. Unter der wie immer souveränen Leitung und Moderation von Patrick Liste, Chefredakteur des Wochenblattes für Landwirtschaft und Landleben in Münster, konnte natürlich keine abschließende Beantwortung der Frage nach dem unbekannten Wesen Verbraucher erzielt werden. Das kam auch bei den Wortbeiträgen der zahlreichen Diskutanten aus dem Auditorium, von Vertretern der anwesenden Landesvereinigungen, Molkereigenossenschaften und Milcherzeugergemeinschaften zum Ausdruck. Durchgeklungen ist bei vielen Statements, dass trotz eines historisch hohen Milchpreises dies Stimmungslage eher schlecht einzustufen ist. Gerade die Ernüchterung beim Konsum von Mehrwertprodukten gebe schon zu denken. Dem standen aber auch Wortbeiträge gegenüber, dass zu einem aktiven Entgegenwirken dieses Trends, sei es auf einzelbetrieblicher Ebene oder über die Landesvereinigungen, Stichwort “Dialog Milch der LV´s in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, oder auch über die Initiative Milch in Berlin, keine wirkliche Alternative bestünde.

Die Branche Landwirtschaft wird damit “leben” müssen, dass es den einen und definierbaren Verbraucher nicht geben wird und dass die Ambivalenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit fortdauern wird. Unabdingbar wird sein, dass seitens der Landwirtschaft noch mehr auf die “Macht der Bilder” zu setzen sei. Andere, der Milch weniger gesonnene Akteure, tun dies auch!

Dr. Hans-Jürgen Seufferlein / VMB

Artikel mit Bildern drucken Artikel ohne Bilder drucken

Newsletteranmeldung

Bitte geben Sie Ihre Daten an.
Felder mit * sind Pflichtfelder.
Bitte wählen Sie die passenden Newsletter aus:
Datenschutz:

Newsletterabmeldung

Die Abmeldung von unseren Newslettern ist über den Abmeldelink am Ende jedes Mailings möglich.